Verpackung4Future – welche Verpackung hat Zukunft?

Der Verpackungsmüll wächst in Europa weiter statt abzunehmen. 77,7 Millionen Tonnen Verpackungsabfall fielen in Europa 2018 schätzungsweise an¹. Doch welche Ansätze gibt es, um Verpackungen umweltfreundlich zu gestalten? Ideen hat der Verpackungsexperte Professor Dr. Michael Herrenbauer. Im Interview erklärt der Studiendekan des Studiengangs Verpackungstechnik an der Hochschule der Medien in Stuttgart, welche Verpackung das Zeug zur Verpackung4Future hat. 

Professor Dr. Herrenbauer, wie sieht die Verpackung4Future aus?

Professor Dr. Michael Herrenbauer: Die Produktverpackung sollte künftig bei der Entwicklung des Produkts von Anfang an mitgedacht werden, das ist heute leider noch nicht die Regel. Denn die Aufgabe der Verpackung ist es, das verpackte Produkt zu schützen, damit es nicht verdirbt oder Schaden nimmt. Erfüllt sie diese Funktion, muss die Verpackung zudem so beschaffen sein und gestaltet werden, dass sie der Umwelt so wenig wie möglich schadet. Das gilt für ihre Herstellung, ihre Verwendung und ihre Entsorgung. 

Die Verpackung4Future muss demnach zunächst ressourcenschonend gefertigt und benutzt werden können. Und nach ihrem, bestenfalls wiederholtem, Gebrauch sollte sie wieder als Ressource in den Wertstoffkreislauf einer Kreislaufwirtschaft einfließen können. Die Recycelbarkeit der Verpackung ist ein entscheidendes Zukunftskriterium. Denn sie sorgt dafür, dass Menschen den Verpackungsmüll als wertvollen Rohstoff schätzen und nicht als wertlosen Müll wegwerfen, schlimmstenfalls unkontrolliert in die Natur. 

Angesichts stetig wachsender Verpackungsberge und daraus resultierender enormer Entsorgungsprobleme – wo stehen wir mit der Verpackung4Future?

M. H.: Viele Unternehmen denken Verpackungen bereits neu und stellen ihre Verpackungen um. Dabei gilt es, die Frage zu beantworten: Wie kann die derzeitige Verpackung samt ihrer Schutz- oder Erklär- oder Informations- oder Werbefunktion im Sinne einer Kreislaufwirtschaft ökologisch verbessert werden? Die Praxis zeigt: Es wird nicht die eine, sondern entsprechend der Produktvielfalt auch verschiedene Verpackungen4Future geben. Aus meiner Sicht liegen die ersten Meter dieses Transformationsprozesses hinter uns. Doch Sie haben es bereits angesprochen, es geht nicht nur um die Qualität der Verpackungen. Die Quantität ist besorgniserregend. Und die zu minimieren, das braucht auch ein Umdenken auf Verbraucherebene. 

Warum muss der Verbraucher umdenken?

M. H.: Es geht beim Kaufen um teils tief verwurzelte Glaubenssätze und lange gewohntes Verhalten. Ebenso um Erwartungen und Handlungen, mit denen wir unser innerstes Belohnungssystem ansprechen. Nur zwei Beispiele: Wir wissen aus unserer Forschungsarbeit, dass Verbraucher Reinigungsmittel dann eher kaufen, wenn deren Verpackung strahlend weiß ist. Ausgewiesen ökologischere Verpackungen, die wegen ihres Recyclat-Anteils gräulich oder grünlich sind, werden dagegen eher im Laden gelassen. Die reinweiße Verpackung vermittelt hier offenbar die bessere Reinigungswirkung. Oder nehmen wir wertige Produkte, egal welcher Art: Werden die in weniger wertigen Verpackungen angeboten, greift der Verbraucher nur zögerlich zu. Ich nenne das die Schizophrenie des Einkaufverhaltens von heute: Die Verbraucher wünschen sich ökologischere Verpackungen, kriegen sie auch, aber kaufen sie dann nicht. 

Was muss passieren, damit sich das ändert?

M. H.: Den wohl mächtigsten Impuls zur Veränderung würde ich von der Politik erwarten. Wir haben ja bereits Vorgaben zu Verpackungen; das Verpackungsgesetz mit seiner Lizenzierung geht in die richtige Richtung. Die Preisdifferenz zwischen umweltschädlicher und nachhaltiger Verpackung muss verringert werden. Eine politisch durchgesetzte Förderung ökologischer Verpackungen wäre dazu sicher sinnvoll und wirksam. Wir brauchen solche Anreize, um Hersteller, Verkäufer und Käufer dazu zu bewegen, nur die nötigen Verpackungen auf den Markt zu bringen – und die in möglichst nachhaltiger Qualität. 

Wie kann man schon heute ökologisch verantwortungsvoll einkaufen?

M. H.: Produkte aus der Region haben keine langen Transportwege hinter sich, die ihre Klimabilanz belasten. Werden sie zeitnah verbraucht, ist auch eine aufwendige Verpackung oft unnötig. Bestes Beispiel sind die Biokisten, die ihre Lebensmittel lose oder minimal verpackt in häufig Mehrwegverpackungen an die Haustür des Verbrauchers liefern: Im Schnitt beträgt der Transportweg zu jedem Kunden hier nur 700 Meter. Mit 2.000 Metern ist dagegen der in Deutschland übliche Pendelweg zum Supermarkt fast drei Mal so lang. Wird dieser dann noch mit dem Auto zurückgelegt, fällt die Klimabilanz für den Einkauf sehr viel schlechter aus. 

Die Verpackung per se ist keine Umweltsünde. Auch der oft verteufelte Kunststoff hat eine Chance verdient, dann nämlich, wenn er ein nachhaltiger Wertstoff in einem Wertstoffkreislauf ist. Vielfach gewährleistet eine Kunststoffverpackung, dass man ein Produkt überhaupt erst verwerten kann. Ökologisch korrekt ausgelegt, könnte man sie mit grünem Gewissen buchstäblich in Kauf nehmen. 

Mein Tipp: Wer bei der Produktion den zunehmenden Verpackungsmüll im Hinterkopf hat, der kann unnötige Verpackungen vermeiden. Damit berücksichtigt er auch das wachsende Umweltbewusstsein der Käufer und beugt Konsumverweigerung wegen aufwendiger Verpackung. 

Vielen Dank, Professor Dr. Herrenbauer für diesen Ausblick auf die Verpackung4Future.

Über die Autorin

Die Freie Bio-Journalistin und #motherof4 Doreen Brumme bloggt auf doreenbrumme.de rund um Bio-Lifestyle in Job, Schule und Familie.

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