
Wir Menschen lieben gute Geschichten. In früheren Zeiten am Lagerfeuer erzählt, dienten sie der Unterhaltung ebenso wie der Wissensvermittlung. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Sie regen unsere Fantasie an und lassen innere Bilder entstehen, die wir gut im Gedächtnis behalten. Und wer eine spannende Geschichte kennt, erzählt sie auch gerne weiter. Deshalb lässt sich Storytelling als Kaufargument, bei der Imagebildung des Unternehmens und bei Mitarbeiterschulungen gewinnbringend einsetzen.
Waren ordentlich in ein Regal zu stellen reicht nicht mehr aus, um gute Umsatzzahlen zu generieren. Der Megatrend Neo-Ökologie setzt Zeichen und Kunden möchten wissen, wie, wo und von wem das Produkt gefertigt wurde. Das erklärt ein kurzer Text oder ein kleiner Film, der mittels eines QR-Codes abgerufen wird. Die Story sollte so gewählt sein, dass die Einzigartigkeit, die Handhabung und das „must have“ des Produktes für die Zielgruppe passend dargestellt ist. Allerdings darf bei allen technischen Möglichkeiten die Basis des Fachhandels nicht zu kurz kommen: Das Verkaufsgespräch. Denn die Begeisterung des gut geschulten Mitarbeiters, der für seine Produkte brennt, ist das beste Kaufargument. Wer in ein Fachgeschäft kommt, möchte ein Erlebnis geboten bekommen, dass es im Online-Shop nicht gibt. Persönliche Beratung, ein individuelles Verkaufserlebnis, Herzblut und Service. Die Firma Manufactum ermöglicht beispielsweise ihren Kunden bei Workshops Produkte zu testen, Hersteller kennenzulernen und Erfahrungen auszutauschen. Eine ansprechende Beschreibung, ein kurzer Film, der den Herstellungsprozess zeigt, oder eine Bilderfolge des Handwerkers bei der Arbeit laden das Produkt emotional auf.
Die nüchterne Aneinanderreihung der Fakten und das Abwägen von den Vorteilen und Nachteilen unterschiedlicher Artikel schafft kein emotionales Einkaufserlebnis und verankert sich nicht im Unterbewusstsein. Jede Inszenierung braucht ein Drehbuch und die Ware ist ein Teil der Geschichte. Egal, ob dabei die Funktion der Produkte im Vordergrund steht oder der Kunde zum Träumen, Staunen oder Lächeln verführt wird. Die Hauptsache ist, die Geschichte weckt die Aufmerksamkeit der Käufer. Die Schaufenstergestaltung könnte z.B. die Geschichte einer fantastischen Unterwasserwelt erzählen. Artikel in Blau- und Türkistönen wie Stifte, Blankbooks, Locher, Stehsammler, Ordner, Bänder usw. sind zusammen mit Quallen, Fischen, und Korallen die Hauptdarsteller der Inszenierung. Die Bastelanleitung für Qualle und Fisch bekommen die Kinder per QR-Code an der Schaufensterscheibe und die benötigten Materialien gibt es in vorgepackten Basteltüten zum Kauf (im Geschäft oder im Onlineshop).
Oder man kreiert die Story, wie ein hochwertiger Füllfederhalter den Kunden durch das Leben begleitet oder immer dann bei der Kundin zur Hand ist, wenn sie wichtige Dokumente unterschreibt: ihren ersten Arbeitsvertrag, ihre Geschäftsgründung, ihre Heiratsurkunde oder einen Notarvertrag. Die Geschichte stellt nicht den Kauf eines Schreibgerätes in den Mittelpunkt, sondern erzählt von einem treuen Freund, der immer dabei ist, wenn im Leben zentrale Ereignisse anstehen.
Die Chancen und Möglichkeiten eines authentischen Storytellings sollten auf keinen Fall unterschätzt werden. Denn jede Entscheidung, jeder Kaufabschluss wird von Emotionen begleitet. Wer seine Ware und sein Unternehmen (mit Corporate Storytelling) in die passende Geschichte verpackt, wird seine Kunden fesseln und dauerhaft binden. Alle Überlegungen beginnen mit dem Kunden. Somit stellt sich die Frage: Wie muss der Händler die Geschichte rund um seine Produkte kreieren, damit der Kunde ein Erlebnis bekommt, dass er Zuhause auf dem Sofa nicht erleben kann.
Über die Autorin
Sabine Gauditz ist Expertin für visuelles Marketing im Handel. Für unterschiedliche Branchen konzipiert und arrangiert sie seit 1986 verkaufsaktive Warenpräsentationen und gestaltet das Ambiente von Verkaufsräumen neu. Die Beratungsfirma für visuelles Marketing, Arte Perfectum, gründete sie 2002 gemeinsam mit Hans Schmidt. Seitdem leitet sie Seminare und Workshops und bietet Inhouse-Beratungen an.