Ein Kunde betritt ein Geschäft, um auf Entdeckungstour zu gehen. Der Händler hat es in der Hand, wohin die unbewusste Schatzsuche führt. Denn mit einer eingängigen Wegführung und strategischen Produktplatzierung fällt die Beute größer aus.
Das hilfreichste Mittel, eintretende Kunden in den tieferen Geschäftsbereich zu lenken, ist eine visuell erkennbare Wegeführung, z.B. ein farbiger Teppich oder ein Bodenbelagswechsel der den Kunden, wie an einer unsichtbaren Hand, durch den Laden oder in verschiedene Abteilungen führt.
Die Steigerung wäre, wenn sich die Wegeführung auch in der Deckengestaltung abzeichnet: Das kann eine Deckenabkantung sein, die elegant ins Geschäft hineinführt und gleichzeitig mit einer indirekten Beleuchtung hilft, Ihr Geschäft in ein angenehmes helles Ambiente zu tauchen. Eine solche Maßnahme hat nicht nur den Vorteil, dass wir Menschen uns an solchen Linien orientieren, sondern auch, dass eine meist unbeleuchtete und ungestaltete Decke eher grau, staubig und drückend wirkt, trotz reinweißem Anstrich.
Ca. 80% der Europäer sind Rechtshänder und die meisten fahren auch rechts. Daraus resultiert, dass Kunden auch beim Einkauf sich eher rechts orientieren. Sie können davon profitieren und einen gegen den Uhrzeigersinn entsprechenden Umlauf – auch Loop genannt – in Erwägung ziehen. Damit wäre auch nach dem Eingang rechts ein idealer Standort für besonders schöne Aktionsprodukte, mit denen Sie den Kunden überraschen oder in eine positive Resonanz einstimmen können.
Sogar die Gangbreite ist eine kleine Wissenschaft: Ist der Weg zu eng, versperren wir den Durchgang oder berühren sogar andere Menschen (Ass Brush Factor) – eine eher unangenehme Sache. Ist der Weg zu breit, gehen wir zu schnell und kaufen eher wenig. Generell sollten Sie mal Ihren Laden mit einem Meterstab überprüfen: Ist ein Durchgang zwischen zwei Positionen unter 80 cm, wagen sich nur besonders forsche Menschen durch, obwohl eigentlich genug Platz wäre. Wir kennen das Gefühl im Aufzug: Ohne unserem intuitiven Sicherheitsabstand von 80 cm fühlen wir uns unwohl. Als Orientierung für Ihr Geschäft dienen zwei Maße: Durchgänge oder Wege für Ihre Mitarbeiter sollten etwa 50 cm breit sein, Durchgänge und Wege für Ihre Kunden mindestens 80cm.
Auch Produktplatzierungen bieten viel Potential: Teures findet sich bequem auf Augenhöhe, wer billige Produkte will, darf sich bücken. Neben unbekanntere Produkte positionieren sie ruhig bekanntere und attraktivere Ankerprodukte, also Dinge, die man sofort erkennt und die somit eine gewisse Anziehungskraft ausüben. Oder sie probieren eine Kombiplatzierung: Neben einem schönen Schal oder einem Halstuch ist noch die farblich passende Sonnenbrille platziert, direkt zum Käse wird ein passender Wein angeboten. Gerne nimmt der Kunde solche Produktplatzierungen als sogenannte „Empfehlungen“ oder als „Stylingtipp“ positiv an.
Steht mitten im Gang eine Palette oder ein runder Tisch mit einer großen Menge eines bestimmten Produkts, vermuten wir automatisch, dass es sich um Sonderaktionen handelt und greifen zu. Supermärkte nutzen diesen Reflex sehr gezielt - die wenigsten merken, dass die Produkte „nur“ gekonnt inszeniert sind.
Der Kunde sollte die Kasse nicht unmittelbar beim Betreten sehen, um nicht schon beim ersten Schritt ins Geschäft an Geld oder Budgetgrenzen erinnert zu werden. Andererseits ist es in kleineren Geschäften auch wichtig, dass die Mitarbeiter hinter der Kasse einen guten Überblick über den gesamten Laden haben, um Kunden begrüßen und beraten zu können oder auch um Diebstahl vorzubeugen. Die Kasse sollte stets gut zu erkennen sein, um beim Bezahlen bzw. zum Ende des Besuches hilfloses Umherirren mit Frustration und Stress zu vermeiden.
Viele interessante und erfolgreiche Einzelhändler sind der Beweis: Mit Strategie und Atmosphäre hinterlassen sie einen Eindruck. Ein Ladenlokal sollte nicht nur schön sein, sondern es muss passend sein. Und passend wirkt ein Geschäft, wenn wir mit klarer Übersichtlichkeit und einer intelligenten Raumaufteilung den Kunden sozusagen „an die Hand nehmen“ und ihm Sicherheit und Wohlgefühl vermitteln. Gerade in unserem Zeitalter der Informations- Angebots- und Reizüberflutung nehmen Kunden gerne klare Strukturen und Orientierungsvorgaben an, weil dadurch Stress reduziert wird. Das verlängert die Freude an der Schatzsuche, die Verweildauer und somit auch die Kaufbereitschaft. Und das freut nicht nur den zufriedenen Kunden, sondern auch Ihre Umsatzzahlen.
Über den Autor:
Stefan Suchanek ist Aesthetiker, Retail Designer, Berater, Speaker und Dozent für visuelle Rhetorik, Inszenierung & Argumentation an der AMD Akademie für Mode & Design in München. Seine Expertise zieht er aus Erkenntnissen der traditioneller Gestaltungslehre, Evolutionsbiologie und Hirnforschung, um dialogfähigere, intelligentere und achtsamere Geschäfts- und Verkaufsräume zu gestalten: Räume die eine positive Resonanz erzeugen, den Menschen wertschätzen und durch Sinn und Sinnlichkeit ein nachhaltiges und umsatzsteigerndes Wohlgefühl überzeugen.