
Wie umweltfreundlich sind die Farben und Malwerkzeuge, die Künstler und Hobbykünstler im Handel, offline wie online, bekommen? Die Suche nach umweltfreundlichem Künstlerbedarf beginnt für mich mit der Eingabe des Begriffs „Künstlerbedarf“ in die Internetsuchmaschine Google. Nach nur 0,63 Sekunden listet mir diese ungefähr 7.430.000 Ergebnisse auf. Meine Suche nach „Künstlerbedarf umweltfreundlich“ dagegen bringt nur noch 568.000 Fundstellen im Internet. Für „Künstlerbedarf ökologisch“ findet Google 178.000 Ergebnisse. Der Suchbegriff „Künstlerbedarf Ökozertifikat“ ergibt 92.300 Ergebnisse und „Künstlerbedarf Umweltsiegel“ 13.200.
Gemessen an den knapp 7,5 Millionen Ergebnissen zu „Künstlerbedarf“ ist Letzteres nur ein Bruchteil. Spiegelt das auch die Lage im Handel wider? Ist „grün“ im Sinne von „umweltfreundlich“ (noch) kein Thema für Künstler und Hersteller, wenn es um ihre Farben und Malwerkzeuge geht?
Es gibt so viele Möglichkeiten für Künstler, Farbe auf Leinwand, Papier und sonst was zu bringen. Beschränke ich mich an dieser Stelle allein aufs Malen, also auf die Kunstform Malerei, bei der ein Bild aus Farbflächen entsteht, die mit einem Pinsel aufgetragen werden (und nicht wie beim Zeichnen aus Linien, die von Stiften stammen), sind als wichtigste Farben Acrylfarben, Ölfarben und Wasserfarben (für Aquarellmalereien und Gouache) zu nennen.
Weder die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest noch von Ökotest haben bislang einen Test von Acrylfarben veröffentlich. Deshalb wende ich mich bei meiner Suche nach einer unabhängigen Bewertung der Umweltfreundlichkeit von Acrylfarben an die Verbraucherzentrale (VZ), auf deren Internetseite ich folgende Antwort auf die Frage „Künstlerfarben und Pigmente: Gibt es besonders schadstoffarme Produkte?“ finde. Hierbei gilt, dass Pigmente unlösliche Feststoffpartikel sind, die in Farben in fein verteilter Form suspendiert sind und ihnen so eine farbige Deckkraft verleihen: Künstlerfarben können demnach Pigmente mit giftigen Elementen beziehungsweise Schwermetallen wie Arsen, Blei, Cadmium und Quecksilber enthalten.
Die VZ rät Verbrauchern, beim Farbenkauf immer das zugehörige Sicherheitsdatenblatt zu lesen, das die Hersteller (leider noch längst nicht alle) online veröffentlichen würden. Man finde es unter den Suchbegriffen „Acrylfarbe (Ölfarbe) Sicherheitsdatenblatt“ – in Kapitel 2 sollte demnach auf mögliche Gefahren hingewiesen werden, in Kapitel 3.2 müssten gefährliche Inhaltsstoffe mit Angabe der Gefahr aufgelistet werden, falls diese im Gemisch enthalten seien.
Für den Künstler stellen diese Farben kein gesundheitliches Risiko dar, schreibt die VZ weiter, vorausgesetzt, die Pigmente seien in einer Paste gebunden (so dass sie nicht eingeatmet würden), würden nicht verschluckt und kämen nicht in Kontakt mit der Haut. Gefahr für die Umwelt resultiere aus ihrem Gebrauch insofern, als dass die giftigen Pigmente beim Pinselauswaschen über den Klärschlamm in die Umwelt gelangten.
Beim Malen mit Ölfarben sind vor allem die Lösungsmittel problematisch: Häufig sind Terpentinöl zum Verdünnen der Farbe und spezielle Pinselreiniger im Einsatz, die beide leicht flüchtige Substanzen enthalten. Schon bei Zimmertemperatur verflüchtigen sie sich und können vom Künstler eingeatmet werden und auf Dauer Schäden an seinen Schleimhäuten in Mund und Rachen anrichten sowie seine Lungengesundheit beeinträchtigen.
Das führt mich zu dem Zwischenfazit, dass die Nachfrage der Künstler nach grünen Farben noch nicht groß zu sein scheint. Anders kann ich mir die Diskrepanz zwischen den angebotenen vielen herkömmlichen und wenigen ökologischen Farben nicht erklären.
Nun mag ein Leser mit Kunstwissen und kunsthandwerklicher Erfahrung einwerfen, dass die Nachfrage künstlerseits unter anderem deshalb fehlen könnte, weil umweltfreundlichere Alternativen wie Farben auf Pflanzenbasis mit der Farbintensität herkömmlicher Farben oft nicht mithalten können: Teils sind sie von Anfang an blasser, teils verblassen sie schneller wegen der mangelnden Lichtbeständigkeit der Naturfarben. Doch rührten schon Künstler vergangener Epochen ihre Farbe oft selbst aus natürlichen Zutaten an. Auch wenn sie viel Zeit mit dem „Farben herstellen“ verbrachten, schufen sie mit deren Effekten Meisterwerke, die uns bis heute farbenfrohe Freude machen. Viele ihrer Rezepturen sind heute noch bekannt und im Internet veröffentlicht. Ein buchstäbliches back to the roots – Naturfarben herstellen – ist ein interessanter Ansatz. Anleitungen dazu gibt’s zuhauf im Netz, zum Beispiel beim WWF.
Mit der Eigenschaft „umweltfreundlich“ geht für viele von uns das Tierwohl einher. Auch das spielt bei der Auswahl der Farben für Kunstwerke eine Rolle. Typischerweise werden Aquarellfarben beispielsweise „tierische Zutaten“ wie Ochsen- beziehungsweise Rindergalle beigemischt, um unter anderem deren Trocknung zu verzögern, was wiederum künstlerisch wichtig für die Nass-in-Nass-Malerei ist. Wer nach Alternativen sucht, sollte auf Produkte achten, die stattdessen mit pflanzlichem Glycerin hergestellt wurden.
Es gibt weitere tierische Bestandteile in Farben. Beispielsweise wird das Pigment „Knochenschwarz“ aus Knochen hergestellt und „Karmin“ aus getöteten weiblichen Läusen. Es gibt bereits eine ganze Reihe von Herstellern, die vegane Farben anbieten. Das heißt: Augen auf – beim Farbenkauf! Das gilt auch für Malwerkzeuge, denn allen steht frei, beim Kauf zum Naturhaarpinsel oder Kunsthaarpinsel zu greifen.
Der Deutsche Tierschutzbund e.V. nennt als tierische Lieferanten Wildtiere wie Iltis, Wiesel, Dachs, Bär, Wildschwein und Eichhörnchen. Ebenso werden Haustiere wie Pferd, Rind und Hausschwein aufgeführt. Problematisch sei demnach, dass Naturhaarpinsel überwiegend aus dem asiatischen Raum nach Europa und Deutschland eingeführt würden, wobei in der Regel unklar bliebe, unter welchen Bedingungen die Tiere ihrer Haare beraubt würden. Verbraucher könnten prinzipiell davon ausgehen, dass die Tierschutzstandards nicht mit denen in Deutschland vergleichbar seien, schreiben die Tierschützer auf ihrer Internetseite. Dies gelte auch für die Haltung und Tötung domestizierter Tiere außerhalb der EU. Hier sei Vorsicht immer angebracht. Doch selbst bei Naturhaarpinseln aus europäischer Produktion, wo Tierhaare als Schlachtnebenprodukte gelten würden, sei der mitfühlende, tierfreundliche Verbraucherverstand gefragt: Denn Massentierhaltung bedeutet heutzutage auch in Europa noch immer eher Tierunwohl als Tierwohl. Aus diesem Grund rät der Tierschutzbund zum Malen mit synthetisch hergestellten Pinseln, die Naturhaarpinseln qualitativ in Nichts nachstünden und meist sogar günstiger zu kaufen seien.
Mein Fazit: Wer im Alltag auf Umweltfreundlichkeit achtet, der sollte für sein künstlerisches Hobby oder seinen künstlerischen Beruf keine Ausnahme machen. Ecoquenz statt Inkonsequenz beim Kauf des Künstlerbedarfs ist der Weg in eine nachhaltige Welt, in der grüne Kunst als Teil einer im Sinne der Kreislaufwirtschaft agierenden Gesellschaft gewürdigt und geschätzt wird.
Über die Autorin:
Die Freie Bio-Journalistin und #motherof4 Doreen Brumme bloggt auf doreenbrumme.de rund um Bio-Lifestyle in Job, Schule und Familie.