
In den letzten Jahren hat der Bestellkauf einen wahren Boom erlebt. Tatsächlich wurden 3,52 Milliarden Kurier-, Express- und Paketsendungen (KEP) im Jahr 2018 zugestellt. Je Zustelltag in Deutschland wurden so im Schnitt fast 12 Millionen Sendungen an bis zu 7 Millionen Empfänger befördert. Während die Zahl der Sendungen in Summe um 4,9 Prozent zulegte, wuchs der Teilmarkt mit Paketen an Endkunden überproportional um 7,4 Prozent mehr B2C-Sendungen.
Insbesondere angetrieben von Onlinekäufern geht der Branchenverband Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste (BIEK) in einer Prognose davon aus, dass die Zahl der Sendungen bis zum Jahr 2023 um fast eine Milliarde Stück auf 4,43 Milliarden Sendungen im Jahr ansteigen wird.
Das macht die Zustellung bis zur Haustür der Verbraucher, die sogenannte letzte Meile, zu einer besonderen Herausforderung. Verstopfte Straßen, fehlende Ladezonen aber auch überlastete Kapazitäten machen die Auslieferung zu einer großen Herausforderung, gleichzeitig ist die Erreichbarkeit des Empfängers ein zusätzliches Nadelöhr. Anders als in der Werbung wartet kein Besteller den ganzen Tag daheim, um dann vor Glück zu schreien.
Aus diesem Grund tüfteln Paketkonzerne und Wissenschaftler an neuen Lösungen. An der Zustellung per Luftweg in Deutschland mit Drohnen glauben Experten kurzfristig nicht, die rechtlichen Hürden gerade im städtischen Raum gelten als zu hoch. Anders als etwa in China, wo ein Paketkopter der DHL bereits kommerziell auf einer acht km langen Flugroute zwischen zwei Unternehmen in Guangzhou unterwegs ist.
In den USA wollen Ford und Agility Robotics mit einem neuen Ansatz in der Paketlogistik mitmischen. Sie erforschen in einem Pilotprojekt die autonome Auslieferung von Waren. Aus einem autonomen Fahrzeug steigt an der Grundstücksgrenze der zweibeinige Roboter Digit aus und bringt das bis zu 20 Kilo schwere Paket autonom auch über Treppen und unebenem Gelände bis an die Haustür.
Generell könnte durch eine konsequente Digitalisierung Kapazitäten und Mitarbeitern optimaler gesteuert werden. Die sogenannte prediktive Analyse prognostiziert das künftige Frachtaufkommen aus riesigen Datenmengen, etwa aus vergangenen Volumina, Bestellverhalten je nach Saison und Wetter sowie vielen weiteren Daten mehr.
Konzepte, für bestimmte Gebiete die Zustellung mehrerer Paketdienstleister zu bündeln, gelten mittlerweile als widerlegt. Im Vergleich zum Aufwand lasse sich das LKW-Volumen nur vergleichsweise gering – um etwa zehn Prozent – reduzieren. Das konstatiert zumindest die Branchen-Studie „Quantitative Untersuchung der konsolidierten Zustellung auf der letzten Meile am Beispiel zweier KEP-Unternehmen in den Städten Nürnberg und München“.
Als zukunftsträchtig gilt dagegen das Mikrodepot-Konzept, dass insbesondere in Hamburg („Hamburger Modell“) oder auch in Nürnberg bereits seine Alltagstauglichkeit bewiesen hat. Aus angelieferten oder befüllten Containern werden die Pakete per Lastenfahrrad verteilt. Um die manuelle Sendungsübergabe effizienter zu gestalten, könnte die Adresszustellung dynamisch durch den Empfänger gestaltet werden. Die ursprüngliche Idee geht übrigens auf einen Vorstoß der Hamburger Innenstadthändler zurück.
Der Vorstoß von Händlern kommt nicht von ungefähr. Immer mehr Filialisten bieten beispielsweise ein Cross-Channel-Konzept, bei dem Kunden online bestellen und in der nächsten Filiale ihr Päckchen offline abholen können. So lassen sich auch Online-Kunden für weitere Einkäufe in den Laden bringen.
Noch in den Kinderschuhen stecken dagegen Modelle, bei denen sich Kunden nach dem stationären Einkauf die Waren nach Haus oder an den Arbeitsplatz liefern können. Das Komfortangebot ist zwar bei weißer Ware wie Waschmaschinen oder Möbeln vertraut. Bei Büro- und Schreibgerätehändlern ebenso wie bei Modegeschäften ist dieser Service – anders als bei Essenslieferungen – etwa mit lokalen Fahrradkurieren noch Neuland.
Denkbar ist auch eine Smartphone-App als Service lokaler Händler, die sich an dem Vorbild einer Mitfahrzentrale anlehnt. Nachbarn oder Kollegen, die sowieso in Händlernähe sind, könnten den Einkauf mitnehmen und beim Empfänger abgeben. Dafür könnte es einen kleinen finanziellen Bonus geben.
Händler, die ihr Geschäftsmodell um eine nachhaltige Stadtlogistik ergänzen, haben Chancen bei ihren Kunden damit besser zu punkten.
Über den Autor:
Thomas Tjiang ist freier Wirtschafts- und Lokaljournalist, Referent und Kommunikationsberater. Seit Anfang der 1990er Jahre hat er für alle Medientypen, wie Tages- und Monatspresse, Hörfunk, TV, Nachrichtenagentur und Online-Redaktionen gearbeitet. Der Literatur- und Kommunikationswissenschaftler lebt seit über 30 Jahren in Nürnberg.