Cradle to cradle – Richtschnur für die Kreislaufwirtschaft

In der Pandemie zeigen sich die Schwächen unserer Wirtschaft deutlicher denn je: Zwar sei das Bewusstsein der Europäer für die Umweltprobleme gewachsen, die Verpackungsmüll, insbesondere Plastikverpackungen, verursacht – dennoch verbrauche Europa im Zuge der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus und seiner Mutanten besonders viel Plastik. Das sagt die Europäische Umweltagentur (EUA)1. Europas Herstellungs- und Verbrauchssysteme seien demnach noch nicht nachhaltig – vor allem die Kunststoffwirtschaft müsse kreislauforientierter aufgestellt werden, so dass wir Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen sinnvoller nutzen, besser wiederverwenden und wirksamer recyceln würden. Ein Weg aus der Müllwirtschaft ist das Kreislaufprinzip "cradle to cradle".

Ob in Europa oder in anderen Industriestaaten, die Unternehmen wirtschaften meist linear: "von der Wiege zur Bahre". Wir entnehmen der Natur Ressourcen, produzieren daraus Güter, gebrauchen und verbrauchen diese und werfen in unseren Augen ausgediente und irreparable Gebrauchsgüter schließlich bergeweise in den Müll. Ein Grund dafür ist unsere mangelnde Wertschätzung natürlicher Ressourcen. Wir verbrauchen davon zu viel und damit mehr, als wir haben. Europas Wirtschaft muss natürliche Ressourcen seit Jahren einführen und gerät damit in eine Abhängigkeit, die künftig zur Schwachstelle im bereits heute absehbaren Wettstreit um eben diese Ressourcen werden kann. 

Hinzu kommt unser nicht Wert schätzender Umgang mit dem Abfall: Der ist längst nicht mehr innereuropäisch zu bewältigen. Laut Angabe des Europäischen Parlaments2 sei die sogenannte Energierückgewinnung (Verbrennung, um thermische Energie zu gewinnen) die am meisten genutzte Methode zum Entsorgen von Plastikmüll, gefolgt von der Deponierung. 30 Prozent aller anfallenden Kunststoffabfälle würden für das Recycling gesammelt. Die tatsächlichen Recyclingquoten variierten allerdings von Land zu Land. Die Hälfte des fürs Recycling gesammelten Kunststoffs werde demnach zur Weiterverarbeitung in Länder außerhalb der EU exportiert. Kurzum: Beim Müll läuft es nicht rund. 

Kreislaufwirtschaft statt Linearwirtschaft: cradle to cradle statt cradle to grave

Dabei könnte unsere Wirtschaft auch rund laufen: Das Stoffkreislaufprinzip "cradle to cradle" (von der Wiege zur Wiege, kurz: C2C) funktioniert ohne Abfall. Denn in einer C2C-Wirtschaft bewegen sich sämtliche Materialien in geschlossenen Kreisläufen, sowohl biologischen als auch technischen. Der Erfinder von C2C ist der deutsche Verfahrenstechniker und Chemiker Michael Braungart. Er sagt, dass C2C weg vom heutigen Umweltschutz als nachgeschaltete Umwelttechnik hin zu Produktinnovation führe3. Die Europäische Union (EU) verfolgt eben dieses Ziel mit ihrem "Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft", der ein zentraler Teil des "European Green Deal" ist und unter anderem an der Spitze der Nachhaltigkeitskette ansetzt: bei der Produktgestaltung4

  • Künftige Gebrauchsgüter müssten für C2C öko-korrekt sein: Wir würden sie zwar gebrauchen, aber nicht verbrauchen. Sie blieben nach dem C2C-Prinzip im Besitz des Herstellers, der sich um ihre Entsorgung kümmern müsste – so würden Verbraucher entlastet. Zugleich stünde der Hersteller in der steten Pflicht, seine Güter gemäß der sich ändernden Bedingungen in seinem geschlossenen technischen Kreislauf zu optimieren. Die Güter müssten sich nach Braungart wieder und wieder recyceln lassen, ohne dass dies ihren materiellen noch intellektuellen Wert minderte. 
  • Künftige Verbrauchsgüter müssten so nah an der Natur hergestellt werden, dass sie sich jederzeit kompostieren ließen, fordert Braungart. 
  • Und unverwertbare Güter dürfte es bei C2C gar nicht mehr geben.  

Verpackungsmüll vermeiden heißt, Verpackungen neu zu denken

Einen Schwerpunkt setzt die EU mit ihrem Aktionsplan auf das Vermeiden von Verpackungsmüll. Laut der Europäischen Kommission wachse die Menge an Materialien, die zur Herstellung von Verpackungen genutzt werde, kontinuierlich. 2017 habe sie 173 Kilogramm (kg) pro Einwohner der EU betragen5. Im Jahr 2030 sollen laut dem Aktionsplan alle in der EU in Verkehr gebrachten Verpackungen in wirtschaftlich vertretbarer Weise wiederverwendet oder recycelt werden können.

Dazu müssten folgende Probleme gelöst werden: Aktuelle Verpackungen seien kaum wiederverwendbar (re-use) beziehungsweise wiederverwertbar (re-cycle). Vor allem die sogenannten Verbundstoffe machten großen Aufwand, wenn sie in Form von beispielsweise Getränkekartons nach nur einmaligem Gebrauch in ihre Materialien Zellulose, Aluminium- und Kunststofffolien zerlegt werden sollen: Zunächst müsse das Papier von den Folien gelöst werden, ein Vorgang, der viel Wasser verbrauche. Aus dem Papier könne man nur noch qualitativ minderwertige Verpackungen machen, beispielsweise Eierkartons. Das Aluminium und der Kunststoff ließen sich in der Zementindustrie zur Energieerzeugung einsetzen oder zur Qualitätsverbesserung. 

Die öko-korrekte Verpackung für die C2C-Wirtschaft

Die C2C NGO6 erklärt, dass diese Art von Verwertung allerdings nicht im Sinne von cradle to cradle sei und es an der Zeit wäre, Verpackungen ganz neu und von vorne zu denken:

Das Design öko-korrekter Verpackungen müsse ihrer Beschaffenheit gemäß sein. Die einzelnen Bestandteile müssten leicht voneinander trennbar sein, um nach Gebrauch in Kreisläufen zirkulieren zu können. Dafür müssten sie modular aufgebaut und leicht trennbar für den Recyclingprozess sein, oder aus reinen Materialien bestehen. Oder aber sie müssten für den biologischen Kreislauf konzipiert werden und entsprechend aus biologisch abbaubarem Papier und Druckfarben gemacht sein. Grundsätzlich müssten die Materialien – Kunststoffe, Zellstoffe, Farben und Additive – genau definiert, gesund und qualitativ hochwertig sein, und dürften keine Giftstoffe enthalten, die auf Lebensmittel, Mensch oder Ökosystem übergehen würden.

Der Weg von der Wiege zur Wiege ist damit aufgezeigt. Die Umsetzung kann folgen, Schritt für Schritt.

Über die Autorin

Die Freie Bio-Journalistin und #motherof4 Doreen Brumme bloggt auf doreenbrumme.de rund um Bio-Lifestyle in Job, Schule und Familie.

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