Visual Merchandising: Vom Einkauf zur Inszenierung

Shopping, Shopping, Shopping – wer seine Kunden mit einem emotionalen Einkaufserlebnis überraschen möchte, braucht Ware die begeistert und muss zuerst selbst auf Einkauftstour gehen. 

Im Zeitalter des Onlinehandels hat sich nicht nur der stationäre Verkauf verändert sondern auch der Einkauf der Ware. Die Standardsortimente deckt der Fachhändler wie bisher bei einem Außendienstbesuch im Geschäft, über einen regionalen Großhändler, per Katalog, online in den Händlershops der Lieferanten oder auf der Messe ab. Daran hat sich nicht viel verändert. Wer aber darüber hinaus seine Kunden mit besonderen Präsentationen überraschen möchte, muss bei der Order neben Sortimentskompetenz und Sortimentstiefe vor allem über Warenbilder nachdenken. 

Masse gibt es im Internet – Klasse im Fachgeschäft

Das Internet steht für unendliche Warenwelten – eine Menge, die unabhängig von der Branche, kein stationärer Einzelhändler bereithalten kann. Dies ist auch nicht nötig, denn im Fachhandel steht eine kompetente Vorauswahl der Produkte an erster Stelle. Letztendlich geht der stationäre Verkauf immer mehr in die Richtung „Curated Shopping“, eine personalisierte und zielgruppengerechte Zusammenstellung der Produkte wie es im Modehandel bereits seit einigen Jahren Trend ist. 

Das Sahnehäubchen am Point of Sale

In Konkurrenz zum Onlinehandel ist der Fachhändler gefordert, bei seinem Einkauf für ausgewählte Inszenierungspunkte im Raum in Warenbildern zu denken. Das bedeutet, er stellt die Produkte so zusammen, dass für den Kunden ein individuelles und emotionales Einkaufserlebnis entsteht. Kaum ein Fachhändler ist noch in der Lage Artikel exklusiv anzubieten, er kann aber seiner Ware durch die Präsentation zu Exklusivität verhelfen. Dafür kreiert der Einkäufer aus Produkten von unterschiedlichen Herstellern und verschiedenen Warengruppen eine ansprechende Inszenierung. 

Hier ein Beispiel: Unter dem Thema „Die Kunst des Schreibens“ stehen Schreibgeräte, Briefpapier, Notizhefte, hochwertige Papierbögen, Geschenkartikel mit Buchstaben oder Texten und Büchern zum Thema Handlettering, im Mittelpunkt der Inszenierung. Beschränkt sich die Gestaltung des Aufbaus auf das Farbspektrum schwarz/weiß, ergänzen Produkte wie Ordner, Sammelmappen, Boxen, Geschenkpapierbögen, Hefter, Locher usw. in den Farben Schwarz und Weiß den Aufbau. Tapetenbahnen mit handgeschriebenen Texten oder einem skizzierten Federhalter, werden über die Inszenierung gehängt und visualisieren das Thema Schreiben. Trotz eines zusätzlichen Blickfangs: Das Hauptelement der POS-Gestaltung ist die Ware. Durch das visuelle Zusammenspiel der einzelnen Artikel in Farbgebung und Styling entsteht eine konzeptionelle Warenpräsentation. Sie bildet, abgestimmt auf die Lebenswelt der entsprechenden Zielgruppe, einen wichtigen Blickfang im Geschäft.

Warenpräsentation statt Dekoration

Bereits bei der Order fällt die Entscheidung wie die Produkte aufgebaut und inszeniert werden und welche Menge für die gewünschte Wirkung und einen optimalen Verkauf nötig ist.

Ein wichtiger Punkt beim Einkauf für ein Warenbild ist auch immer die Fragestellung nach der Verpackung bzw. den Displays:

  • Passt die Verpackung optisch in den geplanten Aufbau? Um bei dem eben genannten Beispiel zu bleiben: Ist der Kalligraphiestift in einer roten Verpackung passt er somit optisch nicht zum Gesamtbild, da das Farbthema Schwarz/Weiß ist, dann sollte er nicht eingekauft werden, oder an einer anderen Auslage im Geschäft platziert sein. 
  • Ist das Produkt so verpackt, dass es sich stapeln lässt? Unterschiedliche Stapelhöhen bringen optische Spannung in den Tischaufbau und sollten beim Einkauf mit in die Planung einbezogen werden.
  • Unterstreicht die Verpackung und das Display die Wertigkeit der Ware? 
  • Lassen sich die Artikel über den Tisch abhängen und dadurch gleichzeitig als Blickfang nutzen? 

Besteht die Möglichkeit das Warenbild mit zusätzlichen sortimentsfremden Produkten zu erweitern, ist der Aufbau für den Kunden überraschender und verführt zu Zusatzkäufen. Bei dem Thema „Die Kunst des Schreibens“ lässt sich der Aufbau gut mit Kissen, Tassen, Servietten oder Tabletts mit Buchstaben oder passenden grafischen Motiven ergänzen. Damit das Konzept der visuellen Story stimmt, arbeitet man bei größeren Inszenierungen mit einem Moodboard. Farben, Materialien, Produktbeispiele und einige Schlüsselmotive des gewählten Themas werden entweder am PC oder auf einem Papierbogen zusammengestellt und dienen als Leitfaden für den Einkauf. Die Gestaltung entsteht aus der Ware und kommt ohne weitere Deko-Elemente aus, wenn einige Produkt als Blickfang eingesetzt werden (z.B. an bunten Bändern und S-Haken über dem Tisch gruppiert hängen), andere Ware auf Podesten für Höhe bei der Präsentation sorgt, und alles zusammen ein visuelle Story erzählt. 

Ideenbörse Messe

Auch wenn der Messebesuch mit einem zeitlichen Mehraufwand verbunden ist, lohnt sich diese Auszeit immer. Neben dem Einkauf ist der Rundgang durch die Messehallen Inspiration und Ideenbörse für die Inszenierung im eigenen Geschäft. Wer mit offenen Augen den Aufbau, die Gestaltung und die Warenpräsentation an den Messeständen begutachtet, findet eine Fülle an Ideen für Einkauf und Warenpräsentation. Dabei liegt das Augenmerk auf den Details, auf kreativen Präsentationen einzelner Produkte und spannenden visuellen Lösungen. Welcher Messestand zieht den Blick an und warum? Lässt sich die Gestaltungsidee für eine eigene Inszenierung am POS nutzen? Gibt es zusätzliche Trendshows, Ausstellungen oder Vorträge auf der Messe, dann sollte dafür unbedingt ein Zeitbudget eingeplant werden. Denn nur wer über den Tellerrand schaut, und Trends kennt, kann im eigenen Geschäft zeitgemäß agieren.

Die Inszenierung und das dreidimensionale Erleben der Ware ist im stationären Handel das wichtigste Verkaufsargument. Konzeptionelle Warenbilder haben den Vorteil, dass sie nicht nur Produkte zeigen (wie bei der Präsentation im Regal) sondern die Ware als Lifestylewelt darstellen. Die POS-Präsentation kann mit mehreren Kunden gleichzeitig kommunizieren, im Gegensatz zum Verkaufsgespräch, dass meist nur mit einem Kunden geführt wird. Sie überbrückt kurzweilig die Wartezeit, bis der nächste Verkäufer für Fragen zur Verfügung steht. Diese visuelle Kommunikation setzt aber immer die passende Ware und somit die Kreativität der Einkäufers voraus, damit der Abverkauf richtig erfolgreich wird.

Über die Autorin

Sabine Gauditz ist Expertin für visuelles Marketing im Handel. Für unterschiedliche Branchen konzipiert und arrangiert sie seit 1986 verkaufsaktive Warenpräsentationen und gestaltet das Ambiente von Verkaufsräumen neu. Die Beratungsfirma für visuelles Marketing, Arte Perfectum, gründete sie 2002 gemeinsam mit Hans Schmidt. Seitdem leitet sie Seminare und Workshops und bietet Inhouse-Beratungen an. 

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