
Das schöne Schreiben mit der Hand ist ein lang bewährtes Handwerk, hinter Klostermauern lassen sich die Ergebnisse bewundern. Doch das heutige Handlettering hat seine Wurzeln eher im Beschriften von Comics oder in der Werbegrafik. Die Freude am schönen Schreiben, das die Grafikdesignerin Moira Schweiger aus Schwabach mit großer Kunstfertigkeit betreibt, hat sie seit Jugendtagen begleitet. „Ich war mit meinen Eltern regelmäßig in England im Urlaub. Schon immer haben mich die schön gestalteten Schriftzüge von Pubs oder Handwerksbetrieben begeistert, die meist einfach so an die Hausfassade aufgetragen wurden“, erzählt die heute 38-jährige Freiberuflerin. In Deutschland ist dieses werbliche Schönschreiben erst in den letzten Jahren wieder in Mode gekommen, Moira Schweiger aber beschäftigt sich seit 2011 intensiv damit. Einer von etlichen faszinierenden Aspekten dieser Schreibkunst ist, wie modern und integrativ sich diese grafische Arbeit zu anderen, verwandten Gestaltungselementen verhält, wie sich die Werkzeuge verändert haben, wie modern und zukunftsfähig sich das Schönschreiben mit der Hand entwickelt hat und nicht zuletzt, wie nachgefragt diese Arbeit ist.
Besucht man Moira Schweiger in ihrem 13 qm großen Ladengeschäft in der Oberen Wörthstraße in Nürnberg, lernt man eine ganze Reihe von unterschiedlichen Verwendungszwecken für schön mit der Hand Geschriebenes kennen: Wertige Hochzeits- oder Glückwunschkarten, Speisekarten oder Speisetafeln im Lokal, Preis- Dienstleistungstafeln in Handwerksbetrieben, als Mittel zur Logogestaltung und Element eines Corporate Designs. „Mein Vorteil beim Lettering ist meine gründliche grafische Ausbildung, sodass ich Handgeschriebenes professionell verarbeiten kann“, erläutert sie. Schweiger weiß um die Feinheiten der Druckvorstufe, der Produktion, sie kann ihr Handlettering in Gestaltungen integrieren, kennt sich mit Papiersorten und Stanz-Verfahren aus. Trotzdem kristallisiert sich immer mehr heraus, dass die Begeisterung fürs schöne Schreiben die Triebfeder ihrer beruflichen Tätigkeiten ist, ob grafischer Auftrag oder ihre Seminare für Profis oder ambitionierte Hobby-Schreiber, die sie in Eigenregie oder im Firmenauftrag veranstaltet. „HELLO HONEY – PAPER CRAFTS & DESIGN OBJECTS“ heißt ihr Label; „Hello Honey“ heißt auch der winzige Laden, den sie im Juli schließen wird. Denn sie „möchte lieber wieder mehr von der Zeit im Atelier verbringen, die ich nun im Laden stehe.“ Ihre Follower auf Instagram und Pinterest, die große Zahl der Newsletter-Abonnenten ermöglichen den Kontakt mit Kunden und Fans, erläutert die Mutter eines sechsmonatigen Babys, die gut planen muss.
Das Handlettering hat sich Schweiger selbst beigebracht: „Ich wusste allerhand über Typographie, unterschiedliche Schriften, Gestaltung von Buchstaben – aber viele Einzelheiten, wie groß der ‚Bauch‘ eines runden Buchstabens sein sollte, überhaupt die Proportionen von Buchstaben oder die exakten Abstände dazwischen lernt man durchs Üben und die Praxis.“ Jahrelang hat sie Alphabete erstellt und geübt, bis ihr heute das Handwerk so flott und perfekt gelingt, wie uns eine hingeworfene Notiz. Auch der Umgang mit modernem Schreib- und Gestaltungswerkzeug, mit pinselähnlichen Filzstiften, Finelinern, Blei- und Buntstiften unterschiedlicher Härtegrade, sogar mit Stifte-ähnlichen Radiergummis oder sogenannten Alkoholmarkern, die poppige Farben so richtig knallen lassen, erfordert Übung. Die alte Tuschefeder aus dem Kunstunterricht hat nahezu ausgedient. Auch die Feinheiten über Stärke und Beschaffenheit verschiedener Papiersorten, die nicht nur beschrieben, sondern auch mal gestanzt werden sollen, lernt man in keinem Lehrbuch.
Die Verwendungsoptionen ihrer Handschreibkunst kann man auf Instagram #hellohoney_nbg verfolgen und dabei auch Romantisches und Freches entdecken: „Dies ist mein Corona-Klassiker“, lächelt Schweiger und zeigt die Postkarte „Can’t wait to hug you“ („kann es kaum erwarten, dich zu umarmen“); mit dem Schriftzug „Frühjahrsmüdigkeit“ in knallig-fröhlichem Grün und Gelb kann man diese mühelos vertreiben. „Fries before Guys“ empfiehlt „lieber Pommes als Jungs“. Manch ein Lettering für fränkische Pubs erinnert an die Schriftkunst, wie sie in England zu finden ist, passend zur Menükarte werden auch Schaufenster und Tafeln gestaltet. Ein Holzkistchen im Laden enthält Sticker mit „Glückskind“, „Zur Geburt“ oder nur „Für Dich“ – alles von Hand geschrieben. Obwohl zum Handwerk gehört, dass Schweiger verschiedene Schriftfonds im Repertoire hat, „kommen die Leute meistens und wollen etwas in meiner typischen Handschrift“. „Hello Honey“ hat sich zur Marke entwickelt und so überzeugt Moira Schweiger mit etwas, was sich viele Kunden von ihr erst wünschen: Mit ihrer grafischen Identität, ihrem ureigenen Style.
Am 2. Juni 2022 lädt die Initiative Schreiben e.V. alle Schriftliebende zur 6. Langen Nacht des Schreibens ein. Einen Überblick über die die Angebote zu Handschrift, Kalligrafie und Handlettering gibt es per Mail an info@initiative-schreiben.de
Über den Autor
Peter Budig hat Evangelische Theologie, Geschichte und Politische Wissenschaften studiert. Er war als Journalist selbstständig, hat über zehn Jahre die Redaktion eines großen Anzeigenblattes in Nürnberg geleitet und war Redakteur der wunderbaren Nürnberger Abendzeitung. Seit 2014 ist er wieder selbstständig als Journalist, Buchautor und Texter. Storytelling ist in allen Belangen seine liebste Form.