Raumprogramm: Für längere Verweildauer und Übersichtlichkeit

Warum erzeugt ein duftender Viktualienmarkt in uns mehr Resonanz, als eine nüchterne und reizlose Geschäftsausstattung die an eine graue Lagerfläche erinnert? Und wie aktivierend ist das multisensorische Entdecken einer italienischen Kleinstadt? Händler bringen mit einem ansprechenden Raumprogramm und Ansprache aller Sinne ihre Kunden zum Verweilen.

Einkaufen mit allen Sinnen

Geht es nach Aristoteles, dann hat der Mensch nur fünf Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Die moderne Forschung spricht aber bereits von bis zu 13 Sinnen, wie etwa dem Sinn für Bewegung, für Zeit, die Temperatur und für das Gleichgewicht, also der Fähigkeit Balance zu halten, Abstände und Proportionen abzuwägen, in Bewegung zu bleiben. Letzteres hat sowohl körperlich als auch kognitiv eine aktivierende Wirkung auf unser Verhalten und Empfinden: Das Raumerlebnis.

Zeitlos shoppen

Auch die mit dem Raum verbundene Zeitempfindung spielt beim Einkauf eine Rolle: Wie wir – denken wir mal an IKEA – durch eine gezielte und durchdachte Wegeführung beim Shoppen die Zeit vergessen, weil wir, wie von magischer Hand von Abteilung zu Abteilung geführt werden und stets etwas Neues entdecken. Allein dadurch wird der Einkauf zum „Event“. Und die Wahrnehmung scheint sich dadurch ebenfalls zu verändern: Die Zeit rückt in den Hintergrund, eine emotionale Inszenierung übernimmt das Regiment in unserem Unterbewusstsein. Die Verweildauer erhöht auch den Einkaufsreiz. Oder schon mal IKEA verlassen, ohne etwas gekauft zu haben?

Entscheidungshilfe

Täglich müssen wir viele Entscheidungen treffen, das beginnt schon am Morgen, ob Kaffee oder einen gesünderen Tee, aber vielleicht mal lieber mit Honig statt Zucker, oder doch nur mit etwas Zitrone? Laut Prof. Gerhard Roth – einem führendem deutschen Hirnforscher – haben wir das Gefühl, frei in unseren Entscheidungen zu sein, sind es aber nicht: Wir tun nicht, was wir wollen – sondern – wir wollen, was wir tun. Das bedeutet, dass Handlungen ihres Kunden beeinflussbar sind und gleichzeitig ein gutes Gefühl auslösen. Dies erreichen Sie durch die Verringerung von Stress beim Einkaufen indem Sie, z.B. durch ein durchdachtes Raumprogramm und klare Strukturen dem Kunden suggerieren, dass er mühelos ihr Geschäft entdeckt, dabei entschleunigt, stets eine gute Übersicht behält und sich dabei wohl fühlt. Erstellen Sie ein Raumprogramm mit entsprechenden Warenkategorien – sortiert nach Marken, Attraktivität, Farben, Preissegmenten, Neuheiten oder besondere Angebote. Ermitteln sie den Platzbedarf und den optimalen Standort. Arbeiten sie hier ruhig eher intuitiv, denn auch der Kunde bewegt sich in Ihrem Geschäft nach seiner Intuition und nicht mit einem technischen Navigationsgerät.

Das Wichtigste… ist die billigste Investition: Sauberkeit

Wirkt ihr Geschäft unsauber, ungepflegt oder unübersichtlich, entsteht auch im Unterbewusstsein des Kunden Abneigung oder sogar Ekel. Dann ist es besonders schwer, Kompetenz zu vermitteln, hochwertige Produkte zu verkaufen und entsprechend Geld zu verdienen.

Sensibilisieren Sie sich selbst und Ihre Mitarbeiter und stellen Sie kleine Hilfsmittel zur schnellen Reinigung bis hin zur gekonnten Warensortierung zur Verfügung. Der Kunden empfindet es sogar als sympathisch, dass durch sichtbar praktizierte Pflege, dem Produkt und somit auch dem investierenden Kunden Wertschätzung entgegengebracht werden.

Ankerpunkte

Bereits beim Betreten empfiehlt es sich eine gut sichtbare Markenwand zu inszenieren: So wie ein feierlicher Altar in einer Kirche, auf den sich das Geschehen fokussiert.

Diese Markenwand sollte sich in Farbe und Struktur abheben und unbedingt mit ihrem Geschäftslogo versehen sein. Es ist äußerst unprofessionell wenn der Kunde in Ihrem Laden steht, aber nicht sehen kann, bei wem er sich überhaupt befindet. Zusätzliche und einfache Akzente wie ein großes, stimmungsvolles Poster, eine gezielte Ausleuchtung oder zusätzliche oder ungewöhnliche Dekorationen zeigen, wer sie sind und was sie können.

Diese Ankerpunkte sollten sich dann – in einer kleineren Variante –  in den Abteilungen fortsetzen und einen visuellen Bezug zur dort befindlichen Warengruppe aufnehmen. So wird der Kunde unterbewusst gelenkt und eingeladen, von Abteilung zu Abteilung zu schlendern und das gesamte Sortiment oder sogar zusätzliche Kaufanreize zu entdecken. Mit diesem Trick schaffen Sie es auch – vor allem in kleineren Geschäften – plötzliche Staus von Kunden im Eingangsbereich zu vermeiden und gleichzeitig die Verweildauer in ihrem Geschäft zu erhöhen.

Und wenn dieser Bereich sogar noch heller ausgeleuchtet ist, dann wirkt es wie ein Magnet: Licht lockt nicht nur Fliegen, vielmehr noch uns Menschen.

Ein sehr effizienter Tipp:

Gönnen Sie sich in Ihrem Geschäft irgendetwas Großes oder Ungewöhnliches. Sei es ein großer pink leuchtender Kronleuchter, eine imponierende Skulptur (kann ja aus transportfreundlichem Kunststoff sein) oder interessante Tapete: Solche emotionalen Überraschungen verankern sich leichter in unserem Gehirn und bleiben in Erinnerung. Und bei der nächsten Einkaufsfrage „In welches Geschäft gehe ich denn nun heute?“ erinnert sich unser Unterbewusstsein schon automatisch an – genau – Ihr Geschäft!

Über den Autor:

Stefan Suchanek ist Aesthetiker, Retail Designer, Berater, Speaker und Dozent für visuelle Rhetorik, Inszenierung & Argumentation an der AMD Akademie für Mode & Design in München. Seine Expertise zieht er aus Erkenntnissen der traditioneller Gestaltungslehre, Evolutionsbiologie und Hirnforschung, um dialogfähigere, intelligentere und achtsamere Geschäfts- und Verkaufsräume zu gestalten: Räume die eine positive Resonanz erzeugen, den Menschen wertschätzen und durch Sinn und Sinnlichkeit ein nachhaltiges und umsatzsteigerndes Wohlgefühl überzeugen.