
Die Schutzmaßnahmen gegen den Corona-Virus sind besonders im Einzelhandel wichtig. Schließlich sind Läden für die Grundversorgung die einzigen Orte neben Arbeitsplätzen, die Menschen in vielen Ländern überhaupt noch aufsuchen sollen. Überall fordern Schilder an den Kassen die Kunden auf, bargeldlos zu bezahlen. Kontaktlose Bezahlmethoden sind ein Infektionsschutz. Doch schon vor der Corona-Pandemie drängten immer mehr Bezahlsysteme in den Markt.
Aufmerksame Beobachter werden zur verschobenen Fußball-Europameisterschaft den neuen Sponsor Alipay entdecken. Die Bezahltochter des chinesischen Marktplatzes Alibaba will bei den Händlern in Deutschland und ganz Europa bekannter werden. Bislang halten sich die Ladenbesitzer noch vornehm zurück, auch weil die Bezahlmethode für sich nicht günstig ist. Lediglich im deutschen Duty-free-Geschäft sollen Chinesen bereits für 40 Prozent des Gesamtumsatzes sorgen.
Alipay ist allerdings nicht nur eine zusätzliche Bezahlmethode per Smartphone. Zwar können nur Chinesen mit einem Alipay-Konto diese Möglichkeit nutzen. Doch zuletzt pilgerten immerhin 1,6 Millionen Chinesen zu den Sehenswürdigkeiten in Deutschland und shoppten spendierfreudig für rund 3.000 Euro pro Kopf. Nach dem Sieg über den Tourismusdämpfer Coronavirus legt voraussichtlich die Reiselust aus dem Reich der Mitte weiter zu. Der Vorteil für Geschäfte: Wer Alipay akzeptiert, kann sich auf mehr Kunden und Umsatz einstellen. Die App zeigt an, wo die Bezahlmethode für immerhin 450 Millionen Chinesen möglich ist.
Egal ob sich Händler nun von Alipay mehr Geschäft versprechen oder nicht: Bezahlmethoden ohne Bargeld sind auf dem Vormarsch. In Europa legen insbesondere die skandinavischen Länder ein beachtliches Tempo vor. Das erleben auch Touristen, wenn sie beim Bäcker in Kopenhagen 3,50 Euro bar über die Theke reichen wollen. Dann verweist ein überraschter Verkäufer auf das Schild „no cash“.
An deutschen Ladenkassen ist das kontaktlose Bezahlen mit der sogenannten NFC-Technik (near field communication) im Alltag angekommen. Einer Erhebung der Deutschen Bundesbank zufolge bezahlen rund ein Drittel kontaktlos mit Debitkarte oder Kreditkarte. Dabei hatte nicht einmal jeder Zweite eine entsprechende Kartenfunktion.
Das Bezahlen im Handel mit dem Smartphone hat sich ebenfalls schon aus der Nische verabschiedet. Zwar klafft noch eine große Lücke zwischen Kennen und Nutzen dieser Form des mobile payments. Aber immerhin zücken 12 Prozent der Kunden ihr Mobiltelefon, um mit Payback Pay ihre Rechnung zu begleichen. Die mobilen Bezahllösungen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken folgen knapp dahinter. Aber auch die US-Riesen wie Google oder Apple drängen auf den Bezahlmarkt, kommen derzeit aber nur bei fünf bzw. vier Prozent zum Einsatz. Alipay und Bluecode kommen in der Erhebung nur auf ein Prozent.
Auch wenn mancher Händler diese Entwicklungen skeptisch sieht - sich zu verschließen ist keine Lösung. Eine Studie des ECC Köln (E-Commerce Center Handel) und Concardis, ein führender Anbieter digitaler Bezahllösungen, hat herausgefunden, dass 53 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen im Handel in Deutschland einen positiven Einfluss von bargeldlosem Bezahlen auf den Umsatz verzeichnen. Durch bargeldlose Zahlungen steigt die Höhe bei Bons und Warenkörben – es wird also häufiger und mehr gekauft.
Deshalb drücken gerade die großen Handelsunternehmen beim Thema innovatives Bezahlen auf die Tube. Das EHI Retail Institute e.V. identifiziert fast 50 Prozent, die kurz- und mittelfristig die Bezahl-Infrastruktur modernisieren wollen.
Für stationäre Händler mit eigenem Online-Shop sind Online-Bezahlverfahren normal. Allerdings müssen auch sie bei der Sicherheit genau darauf achten, up-to-date- zu sein. Eine Analyse der Top 100 Webshops hat zum Teil eklatante Fehler beim Bezahlprozess aufgedeckt. Außerdem müssen Händler daran denken, dass keine Extra-Gebühren von Verbrauchern bei Zahlungen mit Karten, Überweisungen oder SEPA-Lastschriften erhoben werden dürfen.
Bei Bezahlvarianten achten Händlern auf vier Prinzipien: Sicherheit, Kosten, Geschwindigkeit und Investitionsschutz. Bei der Geschwindigkeit liegt das Bargeld vorne. Im Schnitt wird in 22 Sekunden kassiert, bei Girocard mit PIN dauert es schon 29 Sekunden. Diese Daten berücksichtigen allerdings weder das Tempo beim kontaktlosen Bezahlen noch das mobile-Payment.
Um sauber zu rechnen, sind aber auch die Zusatzkosten zu berücksichtigen. Dazu zählen Arbeiten im Kassenhintergrund sowie Kosten für Geldboten und Wechselgeld. Für neuere Bezahlverfahren kommen Terminalkosten sowie Transaktionsgebühren für Kreditkartenfirmen oder Bezahl-Apps hinzu. Bei multifunktionalen Terminals müssen Händler sich zwischen mieten und kaufen entscheiden. Kaufen gilt auf den ersten Blick als billiger. Da aber in der Regel nach vier oder fünf Jahren das Terminal erneuert wird, muss mit spitzem Stift gerechnet werden.
Über den Autor
Thomas Tjiang ist freier Wirtschafts- und Lokaljournalist, Referent und Kommunikationsberater. Seit Anfang der 1990er Jahre hat er für alle Medientypen, wie Tages- und Monatspresse, Hörfunk, TV, Nachrichtenagentur und Online-Redaktionen gearbeitet. Der Literatur- und Kommunikationswissenschaftler lebt seit über 30 Jahren in Nürnberg.