
Papier-, Büro-, Schreibwaren – der Name war mal Programm. Mittlerweile vollzieht die PBS-Branche in vielerlei Hinsicht einen Imagewandel. Der rasch wechselnde Zeitgeist, veränderte Lebensstile und das New Work, schließlich das Gebot der Nachhaltigkeit sowie neue Gesetze und Verordnungen – diese Parameter zwingen die marktgestaltenden Unternehmen seit geraumer Zeit zum Umdenken. Das Ergebnis dieses Prozesses: Das Selbstverständnis der PBS-Branche geht heute weit über ihre einst eng gefassten Kernbereiche und -kompetenzen hinaus.
Was die Unternehmen über diese Transformation hinausbewegt und in Atem hält erfuhr Sibylle Dorndorf im Gespräch mit dem Geschäftsführer des Verbands der PBS-Markenindustrie Volker Jungeblut. Der gilt als ausgewiesener „Markenmann“. Seine langjährige Branchenerfahrung in leitenden Positionen für namhafte Unternehmen wie Filofax, Pelikan und Montblanc vermittelten ihm Expertise und ein ausgeprägtes Verständnis für den Wert und die Bedeutung einer Marke.
Sibylle Dorndorf: Herr Jungeblut, die Zeiten wandeln sich rascher als je zuvor, die Unternehmen stehen fast täglich vor neuen Herausforderungen. Wie wichtig ist Verbandsarbeit heute?
Volker Jungeblut: Wichtiger denn je! Gerade die vielfältigen Gesetzesvorhaben und Verordnungen auf EU-Ebene stellen für alle mittelständischen Betriebe eine große Herausforderung dar. Wir leisten hier Unterstützung, um unseren Mitgliedern bei der Umsetzung zu helfen.
Sibylle Dorndorf: Was sehen Sie als vorrangigen Auftrag des Verbands der PBS-Markenindustrie in diesen Zeiten an?
Volker Jungeblut: An erster Stelle steht nach wie vor das Networking in der Branche und der Erfahrungsaustausch der Mitglieder untereinander. Auch Statistiken – im Rahmen der kartellrechtlichen Vorgaben – geben unseren Mitgliedern einen Überblick über den Markt und dessen Entwicklung. Daraus lässt sich auch ableiten, ob die eigene Strategie noch zukunftsträchtig ist oder Anpassungen notwendig sind.
Sibylle Dorndorf: Marketmedia24 prognostizierte in einer PBS-Studie ein Wachstum bis 2030. Ist das realistisch und wie steht die PBS-Branche aktuell da?
Volker Jungeblut: Im ersten Halbjahr verzeichnen wir ein moderates Wachstum der Umsätze. Zum Teil haben unsere Mitglieder die 2019er Zahlen schon wieder erreicht oder sogar überschritten. Aber – Umsatzzahlen sind nur ein Teil der Wahrheit. In fast allen Sparten müssen wir Preiserhöhungen mit einkalkulieren, auf Basis der massiv gestiegenen Kosten für Material, Energie, Transport etc. Auch wenn die Preise der vorgenannten wieder nachgeben oder zum Teil nachgegeben haben, bleibt die Gesamtkostenstruktur doch erheblich über den Jahren vor Corona und dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Die gestiegenen Kosten sind in die Kalkulation eingeflossen und die Produkte müssen erst einmal abfließen. Jedem sollte bewusst sein, dass im Moment noch ein starkes Preisbewusstsein bei den Verbrauchern existiert und Ausgaben für Produkte aus dem Bereich „nice to have“ mit Zurückhaltung erfolgen. Langfristig gesehen bin ich durchaus der Meinung, dass die Marktuntersuchung von Marketmedia24 korrekt ist und uns Hoffnung machen kann.
Sibylle Dorndorf: Wird ein Wachstum aus gestiegenen Verbraucherpreisen generiert oder sind Preissteigerungen in der PBS-Branche nicht so relevant?
Volker Jungeblut: Momentan ist eher festzustellen, dass das Wachstum zu einem großen Teil durch Preissteigerungen verursacht wurde. Aber es gibt viele Ausnahmen von Markenherstellern, die zur rechten Zeit neue Produkte gelauncht haben und natürlicherweise von diesem Wachstum profitieren.
Sibylle Dorndorf: Lieferkettensorgfaltsgesetz (LKSG) und kein Ende: Die Gesetzeslage fordert gerade kleinere und mittlere Unternehmen. Wie kann der Verband hier unterstützen?
Volker Jungeblut: Wir sind nicht nur in Bezug auf das LKSG in Kontakt mit anderen Verbänden und natürlich auch mit Brüssel direkt. Die Gesetze sind zum Teil verabschiedet und daher Fakt. Wir haben für unsere Mitglieder schon Umsetzungsmaßnahmen vorgestellt und werden das auch für die weiteren Verordnungen, die aus Brüssel kommen, tun. Die Verpackungsverordnung ist ein Beispiel von vielen; kleine und mittlere Unternehmen werden stark gefordert. Wir bereiten entsprechende Seminare vor, um die in absehbarer Zeit notwendigen Maßnahmen den Herstellern zu erklären und nehmen im Rahmen unserer Möglichkeiten in Brüssel Einfluss, um Schlimmeres zu verhindern.
Sibylle Dorndorf: Sie legen mit dem Verband einen Nachhaltigkeitsbericht vor. Wie nachhaltig agieren die Unternehmen der PBS-Branche bereits?
Volker Jungeblut: Wir haben schon Mitglieder, die Co2 neutral sind, sowie eine Vielzahl von Aktivitäten der Mitglieder, die auf nachhaltiger Firmenpolitik aufbauen. Unseren Mitgliedern ist klar, dass es nicht reicht, den Firmenstrom nachhaltig zu erzeugen. Nachhaltigkeit fängt bei der Produktentwicklung an. Beschaffung, Transportwege, Energieverbrauch et cetera – es gibt im Prinzip keinen Unternehmensbereich, der nicht auf Nachhaltigkeit geprüft wird und entsprechend verändert wird.
Sibylle Dorndorf: Die PBS-Branche scheint nicht sehr trendgetrieben, das mag täuschen. Frage an Sie als Insider: Gibt es bahnbrechende Innovationen?
Volker Jungeblut: New Work in all seinen Facetten, KI, Nachhaltigkeit sind alles Faktoren, die unsere Branche massiv betreffen. Von außen betrachtet ist allein schon die Bezeichnung PBS – Papier Büro Schreibwaren – nicht unbedingt ein Innovationstreiber. Die Branche als solches wird unterschätzt. Wir sind nicht nur am Ball, wenn es um Trendfarben geht, sondern durch unsere Produkte werden Abläufe in den Büros verändert, Werkstoffe in nachhaltiger Form neu eingesetzt, Automatisation bis ins letzte Detail vorangetrieben und vieles mehr. Trends sind ein großer Bestandteil unseres Geschäfts und für die Branche überlebenswichtig.
Sibylle Dorndorf: Damit wären wir beim Handel: Wie stellt sich der PBS-Handel angesichts der negativen Verbraucherstimmung auf die Zukunft ein?
Volker Jungeblut: Ich würde nicht so weit gehen, die Verbraucherstimmung als negativ zu bezeichnen. Vorsichtig und Zurückhaltung in Bezug auf nicht absolut notwendige Ausgaben wäre meine Wahl. Auch der PBS-Handel ist sensibel genug, um den Wandel zu spüren. Dass sich die Verbraucheransprache ändern muss, hat so ziemlich jeder verstanden. Wobei es viele schon länger praktizieren. Die Bausteine sind Onlineshops, Servicefreundlichkeit, Sicherstellung der Warenverfügbarkeit, attraktive Präsentation on- und offline und vieles mehr. Und natürlich auch immer wieder die Überlegung – was passt als Ergänzungssortiment in mein Portfolio – wie unterscheide ich mich positiv im Markt? „Handel ist Wandel“ ist ein alter Hut, aber immer noch wahr.
Sibylle Dorndorf: Herr Jungeblut, ich bedanke mich für das erkenntnisreiche Gespräch.
Der Verband der PBS-Markenindustrie repräsentiert die Interessen der aktuell 40 Hersteller von Schulartikeln, Büroausstattung, Präsentations- und Kommunikationsprodukten, Organisationsmitteln, Schreib- und Zeichengeräten und -bedarf, Kalendern und Alben, Grußkarten, Etiketten sowie verwandten Produkten in Deutschland und seinen Nachbarstaaten. Der Markt für diese Produkte für Freizeit, Schule und Büro kennt heute etwa 300 Hersteller, unter ihnen etwa 50 bekannte Marken und knapp 2.000 Büroartikel- und Schreibwarenhändler. Der Gesamtumsatz beträgt etwa 7 Milliarden Euro.
Über die Autorin:
Sibylle Dorndorf schreibt seit fast 30 Jahren über die Spielwarenbranche, zuletzt war die Journalistin Chefredakteurin der TOYS-Magazinfamilie im Göller Verlag, Baden-Baden.
Ihre Passion: Unternehmen, die sich neu erfinden, Marken, die sich glaubwürdig positionieren, Menschen, die etwas zu sagen haben und Produkte mit Zukunft.