
Ein verrücktes Jahr neigt sich langsam dem Ende zu. Vor allem für den Einzelhandel gab es etlicher Herausforderungen zu meisten. Doch diese bringen auch neue kreative Ideen und Lösungen für das kommende Jahr mit sich - auch für den Einzelhandel „colour and more“ in der Rostocker Innenstadt. Das Sortiment streckt sich über mehrere Branchen, mit unterschiedlichen Marktbedingungen. Dazu gehören Bastelmaterialien, Künstlerbedarf, Schultaschen, Büro- und Schulbedarf.
Im Interview verrät uns Inhaber Jörg Busse welche Erfahrungswerte er aus dem Jahr 2020 mitnimmt und welche Ziele er mit colour and more im nächsten Jahr verfolgt.
Insights-X: Was können Sie für sich aus diesem besonderen Jahr mitnehmen? Was haben Sie bisher daraus gelernt?
Jörg Busse: Das Jahr 2020 wird wohl als äußerst abwechslungs- und erfahrungsreich in Erinnerung bleiben. Als wir im März schließen mussten, brach zunächst eine Welt zusammen. Plötzlich gingen die Haupteinnahmen auf Null und die Kosten liefen weiter. Nun lernte man all seine Partner neu kennen. Zum Beispiel zeigte der Vermieter keinerlei Entgegenkommen und inzwischen überbrachte er sogar eine 10%ige Mieterhöhung. Hingegen überraschte das Finanzamt mit sofortiger Hilfsbereitschaft, Verständnis und einem motivierendem Stundungsschreiben. Das werde ich mir wohl einrahmen. Auch wenn es unsere Lieferanten ebenfalls hart getroffen hat, konnten wir überwiegend ein sehr partnerschaftliches Miteinander erleben.
Obwohl wir nicht wirklich im Onlinehandel zu Hause sind, nutzten wir die Unterstützung unseres Verbandes DUO Schreib und Spiel, über deren DUO Markplatz. Dadurch konnten wir uns zunächst einmal über Wasser halten. Webinare bestimmten unseren Informationsaustausch. Diese können den persönlichen Kontakt nicht ersetzen, ersparen jedoch Zeit und Kosten. In vielen Fällen werden wir diese Webinare weiter beibehalten.
Gibt es Dinge, die Sie 2020 neu angepackt und umgesetzt haben, die Sie auch in den folgenden Jahren beibehalten oder sogar erweitern möchten?
J. B.: Das gesamte Unternehmen wurde von mir in der Zeit neu bewertet und überdacht. Wir erarbeiten schrittweise Pläne, wie wir uns künftig ausrichten werden, worauf wir uns konzentrieren und auch verabschieden werden. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, den Kopf für das Wesentliche frei zu haben. Wesentlich ist für mich/uns, wieder den ursprünglichen Spaß an unserer Branche zurück zu holen. Endlich wieder Zeit finden, den Umgang mit unseren Produkten auszuleben. Und das trotz aller behördlichen Zeitfresser, wie z.B. die Verpackungsverordnung oder neue Anforderungen an die Warenwirtschaft durch die Kassenverordnung. Deshalb habe ich ausgerechnet in dieser Zeit drei zusätzliche Lehrstellen geschaffen. Wir bilden jetzt neben Kaufleuten auch eine Kauffrau für Bürokommunikation und zwei Kaufmänner im E-Commerce aus. Sogar über das persönliche Wohlbefinden habe ich mir Gedanken gemacht und meine Ernährung erfolgreich neu ausgerichtet.
Verändert haben sich unsere Öffnungszeiten, statt zuvor bis 20 Uhr, nun bis 19 Uhr. Die Kundenfrequenz hat sich damit nicht verändert und unsere Familien sind darüber erfreut. Mindestens 14-tägig setzen wir uns im Team vor Arbeitsbeginn zusammen und besprechen unsere Vorhaben. Produktschulungen werden nun wieder regelmäßig durchgeführt und wir ermöglichen unseren Mitarbeitern auch online daran teilzunehmen. Lange aufgeschobene Aufgaben, im Zusammenhang mit weiterer Digitalisierung, stehen jetzt ganz vorne auf der Prioritätenliste und werden schrittweise abgearbeitet.
Was denken Sie, wird den PBS-Handel 2021 erwarten?
J. B.: Für das kommende Jahr, erwarte ich zahlreiche Veränderungen am Markt. Corona trägt daran nicht die Schuld, jedoch beschleunigt drastisch eine unaufhaltsame Entwicklung. Die Innenstädte werden veröden und für den Handel immer uninteressanter. Die wenigen teuren City-Parkmöglichkeiten vertreiben die Kunden an den Stadtrand. Kostenlose öffentliche Verkehrsmittel werden zwar den Innenstadt-Verkehr etwas beruhigen, damit leider nicht den Kundenstrom verstärkt ins Stadtzentrum leiten. Die Wuchermieten in den Innenstädten geben der individuellen Handelslandschaft keine Chance. Durch ein weiteres Wegsterben großer Kaufhäuser verringert sich die Attraktivität einer Shoppingtour in den Einkaufsstraßen. Wir sehen uns als Nahversorger. Hierbei müssen wir jedoch abwägen, wie lange wir uns die Kosten einer Innenstadtlage leisten können.
Immer drastischer werden Artikel durch Online-Versender preisaggressiv vermarktet. Dabei wird ohne jeglichen Bezug zur Ware, die Wertigkeit der Produkte und deren Idee, die dahinter steckt, herabgewürdigt. Genau darin sehe ich langfristig große Gefahren für die Hersteller. Ehemalige Hersteller von anspruchsvollen Qualitätsprodukten, verschwinden vom Markt oder tauchen in der Masse von Finanzkonsortien unter und verlieren dabei Ihre Identität.
Welche Ziele haben Sie persönlich für das kommende Jahr, was Colour and More angeht
J. B.: Unsere Chance sehe ich in der Fachkompetenz und der Flexibilität, uns an neue Bedingungen anzupassen. Unsere Leute sind überwiegend mit voller Begeisterung bei unserem Sortiment und geben diese an unsere Kunden aktiv weiter. Wir haben viele Ideen. Während wir noch ein wenig Zurückhaltung üben, wie sich die weitere Lage entwickelt, steht die Weiterbildung unserer Mitarbeiter im Vordergrund.
Vielen Dank für das Interview, Herr Busse.