Dinge, die vor 40 oder 50 Jahren nur in Science Fiction-Filmen vorkamen, sind heute gang und gäbe. Der technische Fortschritt verändert unser Verhalten. Eine technische Neuerung, die enorme Veränderungen hervorbringen dürfte, bisher im Handel aber noch zu wenig Beachtung findet, ist die Spracherkennung.
Lange Zeit war Spracherkennungstechnik eher ein Training für die Frustrationstoleranz statt ein Erfolgserlebnis. Noch heute gibt es Banken, die von uns verlangen, so simple Wörter wie „ja“ oder „nein“ mehrmals übertrieben klar und deutlich in den Telefonhörer zu rufen, bevor wir dann endlich unseren Kontostand abfragen oder eine einfache Frage stellen können!
Die gute Nachricht für den Verbraucher lautet, dass die Technik sich in den letzten fünf Jahren rasant weiterentwickelt hat, nicht zuletzt aufgrund der Investitionen von Hightech-Giganten wie Amazon und Google. Inzwischen erfüllen sprachunterstützte Assistenten wie Alexa von Amazon mit ihren intelligenten Echo Dot Lautsprechern Kundenerwartungen perfekt und ganz ohne Frustrationserlebnisse. Das führt dazu, dass Spracherkennung in nächster Zukunft explosiv wachsen wird. Die Auswirkungen dieser technischen Neuerungen sind immens.
Schon heute beläuft sich der Umsatz an Produkten, der mithilfe von Spracherkennungssystemen generiert wird, in den USA auf 1,8 Mrd. US-Dollar und in Großbritannien auf rund 200 Mio. US-Dollar, wenn man die Umsätze mit einrechnet, die durch Bestellungen generiert werden, die über Spracherkennungssoftware, -services oder -hardware aufgegeben werden. Diese Zahlen sind für sich genommen schon beeindruckend, insbesondere für die USA.
Aber die Zukunftsprognosen sind noch viel beeindruckender: Im März 2018 veröffentlichten die OC&C Strategy Consultants eine Studie, die bis 2022 in den USA mit einem über Voice-Commerce erzielten Handelsumsatz von 40 Mrd. US-Dollar rechnet – für Großbritannien sind über 5 Mrd. US-Dollar prognostiziert.
Diesmal sollte der Handel nicht wie beim Onlinehandel erst einmal 5-10 Jahre in einer Art Schockstarre verharren, bis er endlich in die Pötte kommt. Beim Onlinehandel haben nämlich Amazon & Co. denjenigen Einzelhändlern erfolgreich die Butter vom Brot genommen, die ihren Kopf in den Sand gesteckt hatten.
Praktisch gesehen wird die Revolution, die mit der Spracherkennung losgetreten wird, den Marktanteil vor allem für Amazon weiter vergrößern, da man dort über die beste Hardware und Software verfügt, die der Markt zu bieten hat. Wenn Sie also gedacht haben, dass Amazon in Form des Onlinehandels eine Bedrohung war, müssen Sie für die Zukunft damit rechnen, dass auch ein signifikanter Teil des Konsumgütermarkts vorwiegend über Amazon abgewickelt werden wird. Denn in den Amazon-Geräten, die jetzt den Markt aufmischen, ist die dafür erforderliche Spracherkennungstechnik verbaut.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Zuerst einmal müssen sich die Einkaufsgewohnheiten verändern. Wenn das aber einmal gesehen ist und ein neues Muster dem Verbraucher in Fleisch und Blut übergegangen ist, dann wird er – eben weil er ein Gewohnheitstier ist – dieses Muster auch bei zukünftigen Käufen anwenden. Und diese Gewohnheiten bilden sich aktuell vor unseren Augen immer stärker heraus. Deswegen müssen Einzelhändler, die aktiv etwas dagegen tun wollen, jetzt etwas unternehmen, bevor sich diese neuen Gewohnheiten eingeschliffen haben.
In vielen Fällen wird sprachgesteuerte Software nicht so effektiv oder populär sein wie eine visuelle Suche. Der Voice-Commerce wird eher dort stark werden, wo Sachen angeboten werden, die funktional einen niedrigen Wert haben, sodass sich Preisvergleiche nicht so sehr lohnen, das Produkt aber dennoch kontinuierlich benötigt wird, wie z.B. Papier oder Toner.
Der stationäre Handel, der nicht direkt von Voice-Commerce profitieren kann, wird jedoch wie gehabt seinen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem virtuellen Handel ausspielen können: Produktwissen in Kombination mit Kundenservice und dem Erlebnis, das nur im Geschäft geboten werden kann.
Der Punkt ist einfach, dass wir zwar in der Vergangenheit immer wieder technische Innovationen gesehen und erlebt haben, uns aber nicht ausreichend darum gekümmert haben, die Vorteile zu maximieren, die nur der stationäre Einzelhandel bieten kann. Verkaufen ist ein hartes Brot, und deswegen ist es wichtig, einen Vorteil zu finden, den andere nicht haben.
Über den Autor:
Steve Reece, CEO bei Kids Brand Insight, ist Berater für Marken- und Produktmanagement. Er verfügt über viele Jahre Erfahrung in der Konsumgüterbranche und ist Experte für die weltweite Spiel- und Kinderunterhaltungsbranche.
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Newsletter anfordernZu „Voice Commerce“ erstellten die KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und das Kölner Institut für Handelsforschung 2018 ein Consumer Barometer. Die online Befragung von 500 Konsumenten verdeutlicht das wirtschaftliche Potenzial, das für den Handel in Voice Commerce steckt.