
Jedem Kaufprozess geht ein komplexer Entscheidungsprozess voran. Dieser ist für das menschliche Gehirn ein langes Hin und Her zwischen einem emotionalen Impuls, einem Wunsch und dem Abgleichen von Fakten und Erfahrungen. Doch eins steht fest: einkaufen macht den Kunden glücklich. Eine gute Voraussetzung für die Konsumgesellschaft, wäre da nicht die endlose Auswahl und Vielfalt an Konsumgütern. Denn zu viel Auswahl sorgt im Gehirn für eine Überforderung. Statt glücklich über ein ausgewähltes Produkt zu sein, steigt der Frust über all die Produkte, die man nicht gewählt hat und somit das Gefühl, einen Fehlkauf zu tätigen.
Viele Menschen entscheiden sich bei einem Überfluss an Auswahlmöglichkeiten gegen einen Kauf und verlassen den Laden mit leeren Händen. Wie soll es also für einen Händler möglich sein, die perfekte Auswahl für jeden einzelnen Kunden zur Verfügung zu stellen? An genau dieser Stelle setzt Künstliche Intelligenz – kurz KI – mit einer Vielzahl an Lösungsmöglichkeiten ein. Doch Achtung! Nicht alles, was sich KI nennt, ist auch KI.
Bei KI handelt es nicht nur um die Eigenschaft eines IT-Systems, sich menschenähnlich und intelligent zu verhalten. Es geht vielmehr darum, andere Kernfähigkeiten wie Wahrnehmen, Verstehen, Handeln und Lernen zu imitieren. Die Künstliche Intelligenz zeigt sich zum Beispiel bei den Themen Maschinelles Lernen und Deep Learning.
Maschinelles Lernen bezeichnet ein Verfahren, bei dem Computer-Algorithmen aus Daten lernen, Muster und Zusammenhänge zu erkennen oder gewünschte Verhaltensweisen zu zeigen. Dabei muss nicht jeder Einzelfall explizit programmiert werden. So lernen Algorithmen beispielsweise im Online-Schreibwarenhandel, dass es bestimmte Klassen von Schreibmaterialien gibt, die bestimmten Klassen von Kunden kaufen. Dies geschieht ohne vorherige Definition, was Kalligraphie Stifte sind oder welche kreativen Hobbys junge Mutter nachgehen.
Mit einem weiteren Verfahren kann außerdem das automatische Beschreiben und Labeln von Bildern trainiert werden. Menschen versehen hierbei Bilder mit der Information, ob ein Gesicht fröhlich oder traurig erscheint. Nach mehreren tausend oder zehntausend Beispielen beherrscht ein Algorithmus, neue Bilder selbst zu klassifizieren. Diese Anwendung des maschinellen Lernens ist ein Aufwerten von Algorithmen und somit eins von vielen Werkzeugen der KI. Maschinelles Lernen mit großen künstlichen neuronalen Netzen wird als Deep Learning bezeichnet.
Im Einzelhandel finden sich die wesentlichen Anwendungsbereiche im Marketing, E-Commerce, Logistik und Kundenerfahrungsmanagement. Aber auch bei der Optimierung von Lager- und Auslieferungskapazitäten und der Intent Recognition, bei der die Kaufintention der Kunden frühzeitig erkannt wird.
In Zusammenarbeit mit dem EECC (European EPC Competence Center), das sich stark mit dem Thema Blockchain und künstlicher Intelligenz auseinandersetzt, hat der Real-Markt 2019 ein personalisiertes Coupon-System getestet, welches unter dem Überbegriff Predictive Commerce bekannt ist. Dabei wurden Kunden- und Produktdaten in Beziehung gesetzt, um eine Vorhersage zu treffen, welche Coupons wann eingelöst werden. Während die Einlöse-Quote bei klassischen Coupons normalerweise bei 6 Prozent liegt, wurden diese Coupons in Echtzeit ausgespielt und zu 57 Prozent eingelöst. So ließ sich eindeutig durch KI-Optimierung der herkömmlichen Methodik ein besseres Ergebnis vorweisen.
Auch aus einer Studie des EHI (Acar, Spaan & Gerling, 2019) ging hervor, dass KI-basierte Technologien die Handelsbranche in den kommenden Jahren maßgeblich verändert: Bereiche, in denen Fachkräftemangel herrscht, werden automatisiert, Trendprognosen revolutioniert, neue Arbeitsplätze und Lösungsansätze für ökologische Herausforderungen generiert.
Viele Händler sehen die Chancen von KI-Lösungen noch nicht, doch es ist die Zukunft. Denn KI hilft dem Handel die Kundenbedürfnisse und –wünsche zu analysieren und herkömmliche Prozesse zu optimieren, um letztendlich bessere Erfolge zu erzielen.
Über die Autorin
Stefanie Otto arbeitet als Junior Projektmanagerin mit Spezialisierung im Bereich Handel und Retail Technology bei der gmvteam GmbH, der Düsseldorfer Innovationsagentur für Handel und Stadtentwicklung. Sie ist zudem Autorin im Blog Zukunft des Einkaufens.