Der Hingucker: Visual Merchandising im Schaufenster

Waren Sie schon einmal beim Christmas-Shopping in New York und haben Kinder und Erwachsene dabei beobachtet wie sie sich die Nase an der Schaufensterscheibe platt drücken? Dann wissen Sie um die Anziehungskraft und Wirkung genial inszenierter Schaufenster.  

Die erste Frage zum Thema Schaufenster lautet: Braucht der Fachhandel in Zeiten von Internetshopping, Instagram & Co. überhaupt noch Schaufenster, oder ist das Werbebudget sinnvoller in der Internetseite angelegt? Diese Entscheidung muss jeder Unternehmer selbst treffen. Fest steht: Beides ist Teil der Marketingstrategie eines Geschäftes. Ist die Antwort ein „Ja“ für das Schaufenster, muss für eine optimale Wirkung Geld, Zeit und ein stimmiges Konzept vorhanden sein, damit es zum Hingucker für Passanten wird.

Dreidimensional und Emotional

Der stationäre Einzelhandel ist klar im Vorteil, wenn es um das Erlebnis der Produkte mit allen Sinnen geht. Das Schaufenster trägt diese Botschaft nach außen in die Fußgängerzone und ist das erste Glied in der Kette zur Kaufentscheidung. Mit Farbe, Licht und überraschenden Ideen zieht die Dekoration die Blicke der Passanten an und lenkt die Aufmerksamkeit auf das Geschäft und die Ware. Der Verkauf findet im Geschäft statt – das Schaufenster spricht die Einladung zum Eintreten aus. 

Vom Warenlager zum Marketinginstrument

Ein Schaufenster ist kein zusätzlicher Lagerraum (auch wenn manchmal dieser Eindruck entsteht) sondern die Visitenkarte des Geschäftes. Anhand der Inszenierung bekommt der Passant nicht nur Informationen über das Sortiment, sondern zieht unterbewusst Rückschlüsse auf die Kompetenz, die Exklusivität, die Aktualität und die Individualität des Fachhändlers. 

  • Erzählt die Dekoration eine visuelle Geschichte, nimmt der Betrachter das Geschäft und somit auch das Sortiment als besonders und ausgefallen wahr. 
  • Sind wenige Produkte im Schaufenster und ist die Gestaltung des Bodens und der Warenträger in Material und Ausführung hochwertig, wirkt die Ware exklusiv.
  • Viele Produkte und große Preisschilder, suggerieren „Massenware“ und günstig. 
  • Liegen tote Fliegen und Staub im Schaufenster und ist die Ware lieblos gruppiert, verbindet das Unterbewusstsein damit Begriffe wie: Inkompetent und austauschbar. 

Das Schaufenster wird seiner Aufgabe als Marketinginstrument nur dann gerecht, wenn die visuelle Kommunikation bis ins kleinste Detail stimmt. Ein interner oder externer Gestalter für visuelles Marketing kann diese Aufgabe übernehmen. Fällt die Dekoration in den Aufgabenbereich eines kreativen Mitarbeiters aus dem Verkauf, muss ein ausreichendes Budget an Zeit und Geld eingeplant sein, denn mit halbherzig gestalteten Dekorationen wird Umsatz und Wirkung verschenkt.  

Basics im Schaufenster

Wer effektiv arbeiten und eine optimale Wirkung der Inszenierung erreichen möchte, muss dafür eine optimale Basis schaffen. 

  • Boden: Der Boden als „tragendes Element“, ist ein wesentlicher Teil der Inszenierung und muss farblich zum jeweiligen Thema passen. Je nach Schaufenstergröße eignen sich dafür Holz- oder Hartschaumplatten, die mit Folie oder Stoff bespannt werden. Eine kostengünstige Alternative ist Tonpapier, das auf den vorhandenen Boden gelegt wird (die Wirkung ist allerdings weniger perfekt und hochwertig). 
  • Decke: Ein Gitter an der Decke eröffnet die Möglichkeit ein Plakat, eine Stoffbahn oder Requisiten an jeder beliebigen Stelle im Schaufenster zu befestigen. Es sorgt für Fernwirkung und einen optimalen Aufbau. 
  • Rückwand: Hat das Schaufenster eine ganze oder halbhohe Rückwand ist diese Teil der Gestaltung und sollte sich farblich anpassen lassen. Bei Durchsichtfenstern (ohne Rückwand) gibt eine schmale Stoff- oder Papierbahn dem Auge des Passanten „Halt“ und lenkt den Blick auf die Inszenierung.
  • Licht: Nicht umsonst gibt es den Satz: „Licht lockt Leute“. Ein Lichtsystem mit flexiblen Strahlern rückt die Ware in den Focus der Passanten. Tagsüber muss das Licht immer angeschaltet sein. Nachts sollte zumindest ein Strahler das Schaufenster beleuchten, da Nachtschwärmer auf dem Nachhauseweg intuitiv den helleren Weg wählen. Das Schaufenster ist ebenso wie das Internet 24 Stunden „online“ wenn es beleuchtet ist. 

Inszenieren und dekorieren mit System

  • Bei dem Warenaufbau im Schaufenster bleibt nichts dem Zufall überlassen. Die Laufrichtung der Passanten und eine optimale Fernwirkung muss der Gestalter mit in die Planung einbeziehen. 
  • Die einzelnen Produkte werden nicht flächig verteilt, sondern gruppiert. Der Freiraum zwischen den einzelnen Gruppen ist ausschlaggebend für die Wirkung, denn ohne Freiraum ist das Auge schnell überfordert. 
  • Deko-Elemente sind in der Größe bzw. in der Menge (bei kleinen Elementen) harmonisch auf die Größe des Schaufensters abgestimmt. Sie müssen das Thema kommunizieren und sich auf der Augenhöhe des Betrachters befinden.
  • Podeste und Warenträger sorgen für entsprechende Höhe und Struktur. 

Storytelling verführt und verkauft

Schafft es der Gestalter mit seiner Schaufensterdekoration Passanten zum Stehenbleiben, staunen und lächeln zu bringen hat er gewonnen. Dafür reicht eine schöne Warenpräsentation alleine aber nicht aus. Die Dekoration braucht eine visuelle Story, und liebevolle Details. Die Ware wird Teil der Inszenierung und steht nicht im Vordergrund. Werden Beispielsweise Notizbücher und Kugelschreiber aus Holz verkauft, spielt die „visuelle Story“ im Wald. Baumstämme, Moos, ein Fuchs und eine Eule sind Teil der Geschichte. Vielleicht fliegt die Eule mit dem Notizbuch davon und der Fuchs beobachtet die Passanten aus seinem Versteck hinter dem Baumstamm? Oder die Ware ist Teil einer Schreibtisch-Story? Eine weiß lasierte Holzplatte auf zwei Böcken, Pflanzen die von der Decke hängen oder auf der Tischplatte platziert sind und als Ergänzung Accessoires die ins Bild eines trendig urbanen Wohnambientes passen. 

Visuelle Geschichten haben einen hohen Erinnerungswert, denn sie werden als Bild im Gedächtnis verankert. Bei Bedarf wird sich der Kunde an das Geschäft erinnern und seinen Kauf dort und nicht im Internet tätigen.  

Eine lebens- und liebenswerte Innenstadt

Urbane Stadteile sind bunt, lebendig und liebenswert. Cafés, Grünflächen und die Schaufenster der Geschäfte laden zum Bummeln und verweilen ein. Straßen ohne Schaufenster hingegen sind trist. Der Weg durch die Innenstadt ohne das eine oder andere inszenierte Highlight ist langweilig und ermüdend. Zugeklebte Scheiben und große Schilder mit zu vermieten bieten dem Passanten kein Einkaufserlebnis und sind ein großes Thema, für das Stadtmarketing und den regionalen Werbeverband. Kreative Lösungskonzepte sind gefragt.  Das Schaufenster ist „das Pinterest und Instagram der Straße“, wenn es nicht nur mit Ware sondern mit Kreativität und Ideen gefüllt ist. Es sorgt für Unterhaltung und es liegt somit in der Verantwortung jedes Unternehmers seine Schaufenster mit Ideen zu füllen und seinen Beitrag zu einer attraktiven Innenstadt zu leisten.

Über die Autorin

Sabine Gauditz ist Expertin für visuelles Marketing im Handel. Für unterschiedliche Branchen konzipiert und arrangiert sie seit 1986 verkaufsaktive Warenpräsentationen und gestaltet das Ambiente von Verkaufsräumen neu. Die Beratungsfirma für visuelles Marketing, Arte Perfectum, gründete sie 2002 gemeinsam mit Hans Schmidt. Seitdem leitet sie Seminare und Workshops und bietet Inhouse-Beratungen an.

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