Das neue Verkaufs-Bewusstsein - Geschäfte neu entdecken

Der Sommer bringt frische Energie und gute Laune. Die Menschen haben wieder Lust auf einen Besuch im Lieblings-Café oder einen Stadtbummel. Impfungen und Corona-Inzidenzwerte ermöglichen, den stationären Handel wieder selbst zu erleben. Für den Einzelhandel bedeutet dies: Chance, Herausforderung und ein neues Verkaufs-Bewusstsein. 

Handel = eine lebendige Innenstadt

Einige Presse-Meldungen in Corona-Zeiten vermittelten ein Bild, als ob der stationäre Handel keine Zukunft hätte. Ja, den persönlichen Handel zwischen Menschen gibt es schon immer – ob als Tauschhandel, Bauchladen, Kaufhaus oder Fachgeschäft. Die Verlagerung zum Online-Handel muss nicht das Aussterben des stationären Handels bedeuten. Denn der Markt-Tag hat seit jeher für eine Belebung der Stadt, für Kurzweil und Abwechslung gesorgt. Werte, die viele Menschen nach dem Lockdown wieder zu schätzen wissen. Denn wer möchte schon gerne auf Dauer in einer verödeten Stadt leben und arbeiten? Es wird also höchste Zeit für eine positive Betrachtung und ein neues Selbstwertgefühl des stationären Handels. Der innovative Unternehmer-Geist ist jetzt ebenso gefragt wie zu Beginn der Pandemie! Die aktuellen Kundenbedürfnisse müssen erkannt und an die geltenden Rahmenbedingungen angepasst werden. Der Offline-Handel ist nicht tot, aber er verändert sich. 

Handel = „Faktor Mensch“ 

Das Leben als Online-Shopper ist vielleicht bequem, aber häufig auch sehr einsam. Wer sich jetzt von der heimischen Couch erhebt und in ein Fachgeschäft begibt, möchte mehr als nur ein neues Produkt erwerben – er möchte zuallererst einmal „von Mensch zu Mensch“ wahrgenommen werden. Er erwartet eine freundliche Begrüßung und eine Beratung auf Augenhöhe. Vielleicht möchte er zusätzlich per QR-Code selbst Informationen zu einzelnen Produkten bekommen, aber sicher nicht ausschließlich. Der Kunde spürt intuitiv, ob er herzlich willkommen ist. Letztendlich geht es aktuell mehr denn je darum, jeden Besucher als Individuum zu respektieren, seine Wünsche ernst zu nehmen und ihm mit Wertschätzung zu begegnen.  

Ein Patentrezept gibt es dafür nicht, aber ein Beispiel für individuelles und kundenorientiertes Handeln zeigt die niederländische Supermarktkette „Jumbo“. Sie hat 2019 in ihrer Filiale in Vlijmen eine „Kletskasse“ eingerichtet – eine zusätzliche Kasse, die beim Kassieren Zeit für einen kleinen Plausch lässt, ohne andere Kunden, die schnell bezahlen wollen, mit langen Warteschlangen zu verärgern. Dort hat man erkannt, dass ein Großteil der älteren Kundschaft einsam ist und Redebedarf hat, und für dieses Bedürfnis eine Lösung gefunden. 

Handel = Aufenthaltsqualität & Erlebnis

Shoppen sollte kein notweniges Übel sein, sondern mit Überraschungsmomenten für Spaß und gute Laune sorgen. Die Aufgabe des Händlers ist es Inszenierungen zu erschaffen, und ein Ladenambiente zu gestalten, das punktgenau auf die Zielgruppe zugeschnitten ist und mit liebevollen Details zum Lächeln und Staunen anregt. Unternehmen, die darauf setzen ein Kauferlebnis zu bieten, dass sich online nicht abbilden lässt, oder zusätzliche Dienstleistungen anbieten, werden auch in Zukunft gute Umsatzergebnisse erzielen. 

Die Fotos der Gewinner des „Store of the year“ und „World Retail Awards“ liefern Inspiration, um die Superlative der Möglichkeiten zu erleben und eigene kreative Ideen zu entwickeln. 

Handel = Trends kennen und nutzen

Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein zeigen sich im Ladenbau ebenso wie bei der Herstellung der Produkte. Ein Trend, der vor allem junge Kunden dazu bewegt, auf Sharing Economy zu setzen und viele Dinge zu leihen, anstatt sie zu kaufen. Denn 10 x ausgeliehen bringt eventuell sogar mehr Umsatz als 1 x verkauft. 
Den DIY-Trend gibt es seit einigen Jahren und die Lust, selbst kreativ zu werden, ist ungebrochen. Retailer wie „Horst“, ein DIY-Store in Hamburg Bahrenfeld, Create by Obi oder die Ikea Citystores tragen ihm Rechnung und punkten mit frischen Ideen und schlüssigen Konzepten. Die Kunden werden zukünftig selektiver einkaufen und Wert auf Bequemlichkeit und Individualisierung in Form passgenauer Einkaufserlebnisse und individualisierter Produkte legen.

Die Frage „was ist Handel für meine Kunden“, kann jedes Unternehmen nur für sich selbst beantworten. Manchmal reichen schon Kleinigkeiten wie ein Lächeln oder ein kreatives Schaufenster aus, um Passanten in glückliche Kunden zu verwandeln. Die Anforderungen an den Fachhandel sind gewachsen, aber der „Faktor Mensch“ und das emotionale Erleben der Produkte bleiben die Dreh- und Angelpunkte für ein gutes Umsatzergebnis.

Über die Autorin

Sabine Gauditz ist Expertin für visuelles Marketing im Handel. Für unterschiedliche Branchen konzipiert und arrangiert sie seit 1986 verkaufsaktive Warenpräsentationen und gestaltet das Ambiente von Verkaufsräumen neu. Die Beratungsfirma für visuelles Marketing, Arte Perfectum, gründete sie 2002 gemeinsam mit Hans Schmidt. Seitdem leitet sie Seminare und Workshops und bietet Inhouse-Beratungen an. 

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